Das Offizielle und das Private

Ich kann mich nicht erinnern, je in meinem Leben einen Feuerwerkskörper gekauft zu haben. Das habe ich immer den anderen überlassen. Vielleicht mag ich dann und wann einmal einen entzündet haben. Und da das Delikt verjährt ist, kann ich ruhig gestehen, dass ich Ende der 1970er Jahre in einer Silvesternacht an der Sprengung eines Straßenschilds in Schweicheln beteiligt war. Ich stand Schmiere und hatte meine helle Freude am Knall.

In mir schlummert also durchaus ein Pyromantiker, wenngleich aus eher passiver Warte. Vielleicht gefällt mir insgeheim ja der Aspekt des unverdienten, erschlichenen Vergnügens, den die Schaulust der spitzbübischen Familie in Kore-edas »Shoplifters« besitzt. Unschuldig ist das Feuerwerk im Kino nie dank seiner Doppeldeutigkeit von Ordnung und Chaos. Manchmal kann die Schaulust gar so verwerflich sein wie die Neugier von Leuten, die auf der Autobahn langsamer fahren, sobald sie einen Verkehrsunfall sehen. "Geht weiter, Leute, hier gibt es nichts zu sehen" fordert Leslie Nielsen vergeblich die gaffende Menge in »Die nackte Kanone« auf, als ein Geschäft für Feuerwerkskörper munter explodiert.

Im schönsten Fall ist das Feuerwerk als Farb- und Lichtskulptur eine eigene Kunstform, im schlimmsten eine bunte Apokalypse - und meist ein Ereignis, an dem man ohne eigenes Zutun teilhaben darf. Es ist ein prachtvolles, dominierendes, verlockendes Hintergrundphänomen. Gewiss, es gibt auch Fälle des absichtsvollen Entzündens, etwa von Luke Wilson in »Bottle Rocket« oder Red Buttons, der in »Hatari!«eine Rakete startet, um die Affen vom Baum zu scheuchen, damit John Wayne, Hardy Krüger und Co. sie leichter einfangen können. (Hawks ist ansonsten hier eher ein Freund der Metapher, wie das Finale von „Rio Bravo“ zeigt; unvergesslich ist mir auch das professionell-kaltblütige "You came just in time for the fireworks", nachdem in »SOS-Feuer an Bord« ein Postflugzeug abgestürzt ist.) Es finden sich auch Beispiele von gefährlichem Mutwillen (in »Boogie Nights«), aber in aller Regel lösen Figuren Feuerwerke vor der Kamera nicht planvoll aus, sondern durch ein Missgeschick. Man denke an Tatis Monsieur Hulot, der so den Höhepunkt der Ferien verpatzt, und selbstredend an Inspektor Clouseau – wobei Peter Sellers bei Blake Edwards nicht nur in der Pink-Panther-Reihe verheerende Sprengkräfte entfesselt, sondern auch zu Beginn von »Der Partyschreck«.

Die IMDb verzeichnet, mit der üblichen Fehlerquote, unter dem Schlagwort "Fireworks" insgesamt1875 Titel. Das nimmt nicht wunder, denn das zündende Wechselspiel aus Hell und Dunkel, Farbe und Lärm ist ein Kinomotiv par excellence. Es wirkt schon im Stummfilm – unter tragischen Vorzeichen in »Sylvester« von Carl Mayer und Lupu Pick, unter heiteren in »Sunrise« von Mayer und Murnau - und in Schwarzweiß. Der flüchtige, rasant getaktete Sinnesreichtum des Feuerwerks eröffnet im Schneideraum faszinierende Möglichkeiten und Herausforderungen. Die Editorin Susan E. Morse berichtete mir einmal, welches Kopfzerbrechen ihr der Vorspann von »Manhattan« bereitete, für den sie Impressionen von New York synchron zu Gershwins »Rhapsody in Blue« montieren und zum krönenden Abschluss ein Crescendo der Feuerexplosionen über der Skyline entfachen sollte. Ein wunderbares Beispiel dafür, wie das Motiv den Einfallsreichtums anspornt, gibt es in »The Elusive Pimpernel« (Das dunkelrote Siegel) von Powell & Pressburger. David Niven will hier seinen Gegenspieler Chauvelin (Cyril Cusack) außer Gefecht setzen und mischt Pfeffer in den Schnupftabak. Jedes mal, wenn der ein Prise nimmt, bekommt er einen Nießanfall, auf den im Schnitt ein Feuerwerksblitz folgt. Das Motiv ist so dicht, dass man es nicht einmal direkt zeigen muss, damit es augenblicklich präsent ist: In »Die Damen aus Boston« von Merchant Ivory genügt bereits der farbige Widerschein auf den Gesichtern der Zuschauer.

Verzeihung, ich werde heute nicht mehr fertig. Im nächsten Jahr wird alles besser. Derweil wünsche ich einen guten Rutsch.

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