Unverhoffte Begeisterung

Diese Geschichte aus den 1930er Jahren lässt sich aus zwei Blickwinkeln erzählen, einmal aus dem Hollywoods und dann aus dem der deutschen Kinogänger. Sie ist so faszinierend und verblüffend, dass es zunächst überrascht, weshalb sie nicht schon früher erzählt wurde.

Oder genauer, dass dies relativ unabhängig voneinander und aus zwei unterschiedlichen Richtungen geschah. Da es um das Dritte Reich geht, liegt man mit dem Verdacht der Verdrängung natürlich nie ganz falsch. Hier zu Lande ist bereits ausgiebig über die Filmbegeisterung Hitlers und seines Propagandaministers geforscht worden. Dass diese sich auch auf das Kino des späteren Kriegsgegners bezog, war nicht unbekannt. Ich selbst wusste bislang wenig darüber. Es hat mich beispielsweise ziemlich überrascht, als mein Kollege Frank Noack, der sich als Biograph Veit Harlans und Emil Jannings' gut auskennt im deutschen Kino der Nazizeit, einmal berichtete, Gary Cooper sei noch Ende der 30er gern nach Deutschland gereist.

Im Gegenzug fand in der anglo-amerikanischen Fachliteratur erst in den letzten Jahren eine intensivere Auseinandersetzung über das ambivalente Verhältnis der Hollywoodstudios zu Nazideutschland statt. Welch guten Geschäfte einige von ihnen, an erster Stelle MGM (die dem Journalisten Markus Spieker zufolge ihre Gewinne auch in die deutsche Rüstungsindustrie investierten), dort noch bis kurz vor dem Kriegseintritt der USA machten, erregte eigentlich erst mit Thomas Dohertys "Hollywood and Hitler" und vor allem Ben Urwands unter Historikern höchst umstrittener Studie "The Collaboration - Hollywood's Pact with Hitler" größere Aufmerksamkeit. Das Buch des Australiers Urwand wurde als echte Sensation gehandelt, da es ziemlich schmissige Thesen aufstellt und mächtig ikonoklastische Urteile fällt. Selbst die auf den ersten Blick rigide Haltung von Warner Bros., die nach der Ermordung ihres Berliner Vertreters bereits 1934 den Export ihrer Produktionen stoppten und einige Jahre später die ersten Anti-Nazifilme drehten, stellt sich bei ihm nicht mehr ganz so heroisch dar.

Mit der heute Abend beginnenden Retrospektive "Was Volk und Führer liebten... – Hollywood im Dritten Reich" führt das Berliner Zeughauskino nun beide Forschungsrichtungen zusammen. Die von Frederick Lang kuratierte Schau eröffnet ein Spannungsfeld der ideologischen Widersprüche. Einige davon sind offensichtlich: Die Studiochefs waren meist Juden und viele der Regisseure, Autoren und Komponisten, deren Arbeit Goebbels bewunderte, ebenfalls. Durch die Kontinuität des Filmexports kehrten, zumal in Gestalt flotter Screwballkomödien, Bruchstücke von der Kunstfertigkeit und Leichtigkeit zurück, die nach Machtantritt der Nazis aus Deutschland verbannt worden waren. Aber hätte der Minister auch dann noch seine helle Freude an dem Shirley-Temple-Vehikel Heidi gehabt, wenn er gewusst hätte, dass die Musik zur Schlittenfahrt am Ende von dem verfemten Modernisten Ernst Toch stammt?

Die Filmauswahl steckt voller bekannter Titel, deren Präsenz in diesem Zusammenhang dennoch überrasch. Dem Vergnügen an arglosen Abenteuerfilmen wie Bengali und Meuterei auf der Bounty zieht die Filmreihe einen mulmigen, zweiten Boden ein. Und in Lubitschs "ausgezeichnetem amerikanischen Anti-Sowjet-Film"(Goebbels) Ninotschka hätte doch zumindest das köstliche Missverständnis zu Beginn getilgt werden müssen, als der erwartete Kommissar aus Moskau auf dem Bahnsteig den Arm zum Hitlergruß hebt. (Tatsächlich kam er damals nicht in deutsche Kinos, avancierte aber später zu einem der größten Kassenerfolge der Nachkriegszeit). Dass die Komödien des großen Konservativen Frank Capra in Nazideutschland reüssierten, überrascht mich hingegen weniger. Noch ein weiterer Komödienmeister ist vertreten, allerdings mit einem für ihn sehr untypischen Film: Gregory La Cavas Gabriel over the White House (Zwischen heut und morgen), der wahrscheinlich einzige Film über einen US-Präsidenten, der Allmachtsphantasien beschwört.

Die Rezeptionsgeschichte etlicher Beispiele wird im Laufe der nächsten Wochen gewiss in Einführungen von Lang, Urwand und anderen rekapituliert. Auch damalige Vorführpraxis rekonstruiert das Zeughauskino, zeigt einige Filme mit dem zeitgenössischen Wochenschau- Vorprogramm oder in deutschen Synchronfassungen. Das Ganze ist eine ziemlich grandiose Idee und es ist zu hoffen, dass Vorträge und die Einführungen, wie unlängst geschehen mit der hübschen, nachgereichten Siodmak-Publikation des Zeughauskinos, bald in Buchform erscheinen.

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