Netflix: »Eric«

»Eric« (Miniserie, 2024). © Netflix/Ludovic Robert

© Netflix/Ludovic Robert

Monster im New York der 80er

Monster können in einer Geschichte viele Funktionen erfüllen. Mal sind sie die Personifizierung der Urängste eines Kindes, mal Sinnbild der inneren Dämonen, mit denen ein Erwachsener ringt. Oder auch beides gleichzeitig, wie im Fall von »Eric«, einem neuen Sechsteiler aus der Feder von Abi Morgan, die schon für Serien wie »The Split«, »The Hour« oder »River« verantwortlich zeichnete.

Eric jedenfalls, ein mannshohes Monster mit Hörnern, Fangzähnen und blau-weißem Fell, ist eigentlich die Schöpfung des neunjährigen Edgars (Ivan Morris Howe). Mit Begeisterung zeichnet der Junge Skizzen dieser erst einmal furchteinflößenden, aber durchaus liebenswerten Kreatur, nicht zuletzt als Idee für die von seinem Vater Vincent (Benedict Cumberbatch) erdachte Kindersendung »Good Day Sunshine«, eine Art Mischung aus »Sesamstrasse« und »Mister Rogers' Neighborhood«. Doch Vincent ist zu beschäftigt – mit der Arbeit und sinkenden Quoten, dauernden Streits mit Ehefrau Cassie (Gaby Hoffman) und zu viel Alkohol – um sich die Schöpfung seines Sohnes wirklich anzusehen. Geschweige denn zu überlegen, was sich in ihr vielleicht manifestieren könnte.

Dann verschwindet Edgar eines Morgens auf dem Weg zur Schule. Detective Ledroit (McKinley Belcher III) wird mit dem Fall betraut, einst bei der Sitte und nun für die Vermisstenfälle zuständig. Doch allzu viel Hoffnung besteht nicht, von einem in der gleichen Gegend von New York vermissten Teenager fehlt seit bald einem Jahr jede Spur. Geplagt von Schuldgefühlen beschließt Vincent, das von seinem Sohn erdachte Monster auf den Bildschirm zu bringen und ihn so dazu zu bringen, nach Hause zu kommen. Je mehr er sich seinen eigenen Abgründen stellt, desto präsenter wird Eric auch als imaginierter Begleiter an seiner Seite.

Aus dem riesigen, seinen Schöpfer unverblümt beschimpfenden Monster hätte schnell ein nerviges Gimmick werden können, das »Eric« in eine derb-satirische oder psychologisch plumpe Richtung drängt. Doch dazu ist Morgan als Autorin zu geschickt und lässt es vergleichsweise selten in Erscheinung treten. Protagonist ist hier eindeutig Vincent, den Cumberbatch überzeugend verkörpert.

Andere Figuren, vom heimlich schwulen Ledroit über Vincents Kollegen (Dan Fogler) bis hin zur mindestens so wütenden wie verzweifelten Mutter (Adepero Oduye) des ebenfalls vermissten Jungen, sind deutlich interessanter. Was »Eric« als Mischung aus Krimi und Familiendrama besonders macht, ist das vielschichtige Bild, das Morgan vom New York der 1980er Jahre zeichnet. Den Vermisstenfall samt Monster nutzt sie, um – mit manchmal allzu fein säuberlich zu Vincents Umfeld gezogenen, aber immer spannenden Verbindungen – vom Beginn der Aids-Krise und Homophobie genauso zu erzählen wie von Rassismus und Behördenkorruption oder Obdachlosigkeit und menschenverachtender Städteplanung. 

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