ZDF-Mediathek: »Der Schwarm«

»Der Schwarm« (Serie, 2023). © ZDF/Stefano Delia/Fabio Lovino/Schwarm TV Production GmbH & Co. KG

© ZDF/Stefano Delia/Fabio Lovino/Schwarm TV Production GmbH & Co. KG

Eine Kette von Katastrophen

Als internationaler Bestseller erregte der 2004 erschienene Ökothriller »Der Schwarm« von Frank Schätzing früh Begehrlichkeiten in der Filmindustrie. Verlag und Autor vermeldeten das Interesse Hollywoods. Namen wie Uma Thurman (Produktion und Hauptrolle) und Ted Tally (Drehbuch) machten die Runde.

Doch es blieb letztlich dem ZDF überlassen, die Verfilmung des Erfolgsromans anzustoßen. Für solche Projekte gründeten die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten ZDF, France Télévisions und Rai 2017 die European Alliance. Überwacht wurde die Produktion von Showrunner Frank Doelger, den der »Spiegel« irrtümlich als »Game of Thrones«-Schöpfer, gar als einen »der mächtigen Strippenzieher des US-Fernsehens« bejubelte. Bei »Game of Thrones« war Doelger einer der Produktionsleiter. Den »Schwarm« betreute er als Entwicklungs- und Produktionsleiter der in Berlin ansässigen Intaglio Films, einem Joint Venture von Beta Film und ZDF Studios.

Die Geschichte beginnt im peruanischen Huanchaco. Einem Fischer entgleitet das Netz, er taucht, um es zurückzuholen, und trifft auf Fische, die sich unartig verhalten. Weder der Fischer noch überhaupt Huanchaco werden hernach noch eine Rolle spielen. Es ist nur einer von vielen, oft nur flüchtig gestreiften weltweiten Schauplätzen. Vancouver Island, Skaw auf den Shetlands, Kiel, Tokio, Genf …

An den Küsten spielt die Meeresfauna verrückt. Auf Vancouver Island verfolgen die Touristen begeistert die Luftsprünge der Wale. Einer der Giganten schnellt aus dem Wasser, zertrümmert gezielt das Ausflugsboot durch sein Gewicht. Ein unerhörter Vorgang.

Der Walforscher Leon Anawak ist längst stutzig geworden. So ergeht es andernorts der Studentin Charlie Wagner, dem Meeresbiologen Sigur Johanson und seiner Kollegin Tina Lund, der französischen Molekularbiologin Cécile Roche. Die Datenanalystin Alicia Delaware, Astronomin Samantha Crowe, Kapitän Alban, der Tauchrobotikexperte Roscovitz kommen noch ins Spiel.

In raschen Szenenwechseln geht es mehrfach um die Welt. In Kanada wird ein Frachter durch Muschelbefall manövrierunfähig. In Saint-Jean-de-Luz schneidet ein Koch einen Hummer auf. Gallert spritzt ihm entgegen. Der Küchenchef stirbt kurz darauf. In Südafrika hat sich ein junges Paar gerade erst gefunden, da muss es auch schon vor Myriaden aggressiver Krabben flüchten.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bemühen sich um Aufklärung, rätseln, werfen besorgte Blicke auf ihre Bildschirme. Redundanzen ziehen die Exposition über mehrere Episoden. Am Ende der sechsten bricht eine Expedition in die Arktis auf und es scheint, als würde die Geschichte endlich vorankommen. Leider wurden keine weiteren Folgen zur Verfügung gestellt.

Bis dahin verläuft die Erzählung eher simpel. Liebesgeschichten werden ruckzuck über einen One-Night-Stand angezettelt. Cécile Roche muss zwischen ihren Kindern und der Weltenrettung wählen, ein weiteres Motiv, das alsbald außer Acht gerät. Charlie Wagner hadert mit ihrer strengen Professorin, von Barbara Sukowa am Rande der Karikatur angesiedelt. Der indigene Leon Anawak ist, wer hätte anderes erwartet, ein wortkarger Grübler, der japanische Finanzier Mifune ein sibyllinischer Schweiger.

Technisch sind die Episoden dieser 40-Millionen-Euro-Produktion nahezu perfekt. Nur hapert es merklich an erzählerischen Qualitäten. Das zeigt sich früh, wenn der wütende Wal auf das Boot der Ausflügler losgeht. Statt den Grusel langsam zu steigern, fallen die Autoren mit der Tür ins Haus. Während die meisten Figuren blass bleiben, setzen die Produzenten auf immer neue Katastrophen und überzüchten sie zum großen Spektakel – episodisch, nicht episch.

2005 entstand in den USA die inhaltlich verwandte Serie »Surface«. Mit erkennbar weniger Geld, aber erzählerischem Geschick, mit dichterer Handlung und interessanten Protagonisten. In den USA war sie dennoch ein Misserfolg. Anders in Deutschland. ProSieben hätte sie gern in Eigenregie fortgesetzt; das ließ sich nicht mehr realisieren.

Aber dafür gibt es ja nun den »Schwarm«.

OmU-Trailer

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