Disney+: »The Good Mothers«

»The Good Mothers« (Serie, 2023). © Disney+

»The Good Mothers« (Serie, 2023). © Disney+

Die Töchter und Frauen der Bosse

Viel Exposition ist hier nicht: In »The Good Mothers«, jüngst auf der Berlinale mit dem erstmals verliehenen Serien-Award ausgezeichnet, wird das Publikum von Beginn an in eine eigentlich längst laufende Geschichte geschmissen. Was natürlich auch Sinn ergibt, schließlich geht es in dieser britisch-italienischen Produktion um Strukturen innerhalb der Mafia und um den gegen sie geführten Kampf. Seit Jahrzehnten andauernde und sich stetig wiederholende Prozesse also.

Die Adaption des auf wahren Begebenheiten basierenden Buchs von Alex Perry nimmt die Frauen in der kalabrischen ’Ndrangheta unter die Lupe, genau wie es die ehrgeizige Staatsanwältin Anna Colace (Barbara Chichiarelli) tut. Die Juristin, in deren Büro man Brandanschläge und andere Drohungen längst gewohnt ist, versucht, ihre Vorgesetzten davon zu überzeugen, dass sich die Mauer des Schweigens und die inneren Kreise der Mafia am besten aufbrechen lassen, wenn man die Ehefrauen und Töchter der Gangsterbosse zum Reden bringt, die innerhalb der Organisationen selten etwas zu sagen, aber dafür viele Einblicke in die Geschäfte haben.

Doch diese Frauen, die in der Regel bloß für Kinder und Haushalt zuständig sein sollen und als Eigentum ihrer Männer gesehen werden, leben gefährlich. So wie Lea Garofalo (Micaela Ramazotti), die vor Jahren schon gegen ihren Mann aussagte, seither in Angst lebte und dann den Fehler macht, ihm wieder zu vertrauen. Bald ist sie verschwunden, und ihre fast erwachsene Tochter Denise (Gaia Girace) erkennt dadurch erst so wirklich, nach welchen Mechanismen ihre Familie funktioniert. Ähnlich wie Giusy Pesce (Valentina Bellè), die für ihren Vater Schutzgeld einsammelt, während ihr Mann im Gefängnis sitzt, sehnt auch sie sich innerlich nach einer Existenz fernab der Mafia und muss doch tagein, tagaus um ihr Leben fürchten.

Dass die Vorlage, die Drehbuchautor Stephen Butchard zur Verfügung stand, gründlich recherchiert war, ist »The Good Mothers« anzumerken, ohne dass sich die Serie einen dokumentarischen Anstrich geben würde. Vor Redaktionsschluss gab es für die Presse lediglich die ersten beiden auf der Berlinale präsentierten Folgen (von ingesamt sechs) zu sehen, die tatsächlich zu großen Teilen von dem »ultrarealistischen Eindruck« leben, den die dortige Jury in ihrer Preisbegründung hervorhob.

Tatsächlich wirkt unter der Regie des Briten Julian Jarrold und der Italienerin Elisa Amoruso alles enorm authentisch, von den Schauplätzen über die Schauspieler*innen bis hin zu den Dialogen. Alles wird in nüchternen, aber eindrucksvollen Bildern festgehalten, und gerade die Glaubwürdigkeit ist es, durch die einem das Gezeigte mehrfach das Blut in den Adern gefrieren lässt. Zwischen Kaltblütigkeit auf der einen und dem Mut der Verzweiflung auf der anderen Seite bauen sich von Beginn an eine erdrückende Atmosphäre und bedrohliche Spannung auf, die so subtil zunehmen, dass man kaum erwarten kann, wie diese Serie weitergeht.

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