arte-Mediathek: »Inside No. 9«

»Inside No. 9« (Staffel 5, 2020). © BBC

»Inside No. 9« (Staffel 5, 2020). © BBC

Kühn und befremdlich

Steve Pemberton und Reece Shearsmith sind Schauspieler, Autoren, Regisseure. Seit 2014 haben sie gemeinsam 43 Episoden der BBC-Serie »Inside No. 9« verfasst und die Hauptrollen gespielt – in jeder Folge eine andere Figur.

»Inside No. 9« ist eine TV-Anthologie, wie sie einst die Anfänge vor allem des US-Fernsehens prägte, mit Titeln wie »Twilight Zone«, Roald Dahls »Tales of the Unexpected«, »Alfred Hitchcock presents« und Spielbergs Nachzügler »Amazing Stories«. Als gemeinsamer Nenner fungiert in »Inside No. 9« die Ziffer 9, als Hausnummer, Trikotnummer oder Adventskalendertürchen. Der Grundton ist makaber. Humor vom schwärzesten Kaliber. Weshalb einigen Folgen die Warnung vorangestellt ist, sie seien für Kinder und Jugendliche nicht geeignet.

Die 30-minütigen Episoden enden stets mit einem unerwarteten Dreh. Da erweist sich ein Opfer als Täter. Oder ein Opfer, das vom Publikum als Täter erkannt wurde, ist doch das Opfer. Weiter ins Detail zu gehen hieße, zu viel zu verraten.

Phänomenal, wie sich Pemberton und Shearsmith immer neue Rollen aneignen. Sie nehmen ihre Figuren, seien sie noch so exzentrisch, ernst und behelligen das Publikum nicht mit der Achtung-jetzt-kommt-ein-Witz-Mimik deutscher TV-Komödianten. Das Personal entstammt den unterschiedlichsten Milieus. Auf die Luxusvilla folgt die Lehrerwohnung, auf die Umkleidekabine der Sozialbau. So gut wie immer wird das Geschehen räumlich verdichtet. Eine Episode spielt beinahe ausschließlich im Inneren eines Streifenwagens. Genres werden adaptiert, zitiert, illustriert, vom klassischen Gruselfilm bis zum Kitchen-Sink-Drama.

Die beiden Autoren sind Meister der manchmal auch sehr elaborierten Hoch- und Popkulturanspielung. Weniger kryptisch: eine Aufzählung der typischen Klischeegestalten des Polizeifilms – der kauzige Rechtsmediziner, der Neue, der bei der ersten Obduktion umkippt, der Chef mit mürrischem Auftreten und goldenem Herzen, der Einzelgänger, der einen letzten Fall vor sich hat, der Wichtigtuer, der am Ende Respekt erntet.

Völlig entfesselt geriet die Halloween-Folge von 2018, die laut Ansagerin live ausgestrahlt wurde. Sie beginnt konventionell. Dann ereignet sich ein Tonausfall, und es beginnt eine Reihe unwirklicher Pannen, die damit erklärt werden, dass das Aufnahmestudio auf einem Friedhof erbaut wurde und die Toten ihr Terrain zurückfordern. Die Autoren zitieren »The Ring«, veralbern (Un-)Reality TV, den Serienklassiker »Coronation Street« – die Phantome der Seifenoper. Ein gewagtes, ja experimentelles Stück Fernsehen.

»Inside No. 9« wurde vielfach prämiert. Britanniens Schauspielelite übernimmt gerne Gastrollen, darunter bekannte Namen wie Gemma Arterton, Oona Chaplin, Keely Hawes, Jason Isaacs, Derek Jacobi, Rory Kinnear, Denis Lawson, Sophie Okonedo, Nicola Walker. Die Arte-Mediathek zeigt Staffel 5 und 6 in der Originalfassung mit deutschen Untertiteln.

OV-Trailer

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