Amazon: »Yosi, the Regretful Spy«

»Yosi, the Regretful Spy« (Serie, 2022). © Amazon

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Große Verschwörung

Buenos Aires, 17. März 1992. Eine gewaltige Explosion hat die israelische Botschaft und umliegende Gebäude zerstört. In den Trümmern liegen Tote und Verletzte, es herrscht Chaos, das volle Ausmaß ist nicht abzusehen in den Nachrichtenbildern, die damals das Land erschütterten und bald um die ganze Welt gingen. Mit ihnen beginnt auch »Yosi, the Regretful Spy«, die Thrillerserie von Daniel Burman über einen jungen Geheimagenten, der ab Mitte der Achtziger unter falscher Identität viele Jahre die jüdische Gemeinde von Buenos Aires infiltrierte und damit scheinbar unwissentlich entscheidende Vorarbeit zu diesem und einem weiteren Anschlag auf das AIMA-Gebäude 1994 geleistet hat.

Es ist eine schier unglaubliche Geschichte, die Burman und sein Drehbuchteam hier auffächern, sie beruht lose auf dem Enthüllungsbuch »Iosi, el espía arrependito« von Miriam Lewin und Horacio Lutzky, die den Fall jahrelang recherchierten. Der Ex-Spion hatte sich bei ihnen gemeldet, um die wahren Drahtzieher hinter den Anschlägen zur Rechenschaft zu ziehen. Er ist sich sicher: Es handelt sich um die größte Verschwörung in der Geschichte Argentiniens.

Auf mehreren Zeitebenen erzählt die Amazon-Serie in acht einstündigen Episoden (von denen die ersten drei vorab zu sehen waren), wie aus José Pérez (Gustavo Bassani) Yosi wird und er langsam das Vertrauen wichtiger Gemeindemitglieder gewinnt. Es geht um die Anschläge und auch um die Jahre danach, in denen Yosi versucht, sich seiner Schuld zu stellen. 1985 rekrutieren die Ausbilder den ehrgeizigen Polizeischüler für den Auftrag, die jüdische Gemeinde auszuspionieren. Offenbar durch Groll aus der eigenen Kindheit motiviert, bricht José für die Mission skrupellos mit Familie, Freunden und seiner Verlobten. Er lernt Hebräisch, jüdische Traditionen und Rituale, lässt sich beschneiden, wird »einer von ihnen«. Als Yosi bandelt er mit der Studentin Dafne an, Tochter des einflussreichen Finanziers Saul Menajem. Er tritt in ihren jüdischen Chor ein und erhält darüber Zugang zur israelischen Botschaft, deren Grundriss er sich ebenso einprägt, wie er bald das Vertrauen von Dafnes Vater gewinnt.

Es dauert eine Weile, bis man die Zusammenhänge versteht oder glaubt zu verstehen, wie Yosis Maulwurfmission mit den Terroranschlägen zusammenhängen könnte. Gerade das macht den Reiz dieser verschachtelt und dicht erzählten Politverschwörung aus. Burman verbindet sie – wie schon in seinem Spielfilm »El abrazo pertido« (Großer Preis der Jury, Berlinale 2004) – mit authentischen Einblicken in das jüdische Leben Argentiniens.

Aufgeklärt sind die Hintergründe bis heute nicht, niemand wurde wegen der Anschläge verurteilt. Von dieser Ohnmacht und staatlicher Willkür erzählt Burmans Serie ebenso wie vom Antisemitismus in allen Schichten der Gesellschaft.

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