DVD-Tipp: »Die Erlösung der Fanny Lye«

© Alamode Film

In Aufruhr

Shropshire, England, 1657. Die kurze republikanische Phase, die auf die Hinrichtung Karl I. folgte, neigt sich bereits wieder dem Ende zu. Zu keinem Zeitpunkt war es Lordprotektor Oliver Cromwell gelungen, Ruhe in den Karton zu bringen, das Land blieb im Aufruhr, revolutionäre Ideen zirkulierten, Randgruppen erprobten alternative Lebensentwürfe.

Die Unruhe der Zeit erreicht schließlich auch die kleine Farm von Captain John Lye und seiner Frau Fanny, gottesfürchtige Menschen, die sich aufs Äußerste herausgefordert sehen, als ein Pärchen sogenannter »Dissenter« bei ihnen Zuflucht sucht und wenig später, auf deren Fährte, ein Vertreter der Obrigkeit eintrifft. Was folgt, ist nominell der altbekannte Kampf von Gut gegen Böse, will sagen: Recht- gegen Andersgläubigkeit; in Wahrheit aber – das wird im Verlauf von »Die Erlösung der Fanny Lye« immer deutlicher – handelt es sich um einen Wettstreit, wer der schlimmste Übeltäter ist. Dass dabei keiner ungeschoren davonkommen wird, liegt nahe, führt hier doch Thomas Clay Regie, der 2005 mit dem Slowburn-Gewaltexzess »The Great Ecstasy of Robert Carmichael« profund schockierte.

Eine Verbindung aus filmkünstlerisch-ästhetischem Anspruch und totaler Unzimperlichkeit der Konfliktführung prägt auch seinen neuesten Film; viel Zeit wird dem rhetorischen Kräftemessen zwischen Captain John und seinem ungebetenen Häretiker-Gast gewidmet; gründlich vermisst die Kamera den Raum und genießt die Bewegungsfreiheit, die das 360°-Set bietet; nachdrücklich lenkt die Inszenierung die Aufmerksamkeit auf schleichend leise Machtverschiebungen und Perspektivwechsel. Dazu ertönt ein mächtiger Score – von Clay komponiert und auf zeitgenössischen Instrumenten eingespielt –, der diesem unabhängig und mit schmalem Budget produzierten Film alle Bescheidenheit austreibt. Die große Geste prägt dann auch den Showdown, oder vielmehr: die titelgebende Erlösung, die im englischen Original eine Geburt ist (to deliver = gebären). Denn nicht zuletzt erzählt Fanny Lye auch eine Episode aus der Geschichte der Geschlechterspannung – und vom Preis der Freiheit.

 

 

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