Buch-Tipp: Fabienne Liptay – Roy Andersson

Schwedische Wunderkammer

Fünf bis sieben Jahre dauert es, bis einer der aufwendig konstruierten Filme des Schweden Roy Andersson fertig wird. So muss man dem bald achtzigjährigen Regisseur wohl glauben, dass er diese Mühen nicht noch einmal auf sich nehmen kann und den Zustand der Welt fortan lieber schreibend reflektieren möchte. »Über die Unendlichkeit« wird also wohl der letzte Film in einem schmalen Werk bleiben und dieser kleine, von Fabienne Liptay herausgegebene Band mit sechs Vignetten und einem knappen Interview ein abschließendes Resümee. 

Aus verschiedenen Perspektiven nähern sich die Texte dem Werk, gehen Inspirations- und Entwicklungslinien und Arbeitsweisen auf den Grund. In ihrem Einführungstext skizziert Fabienne Liptay den besonderen Stil der Filme von Roy Andersson, seine Vorliebe für malerische Tableaus, den aufwendigen Prozess ihrer Entstehung, die Finesse der tiefenräumlichen Inszenierung, die fast paradoxe Verbindung von historischer Einbettung und Zeitlosigkeit. Danach umkreist Thomas Koebner, der die Schriftenreihe »Film-Konzepte« einst begründet hat, Anderssons Schaffen in 13 kurzen Kapiteln, in denen er die erlesenen Bildkompositionen des Regisseurs in ebenso erlesenen Worten auffängt: »Immer wieder kollabiert die Spottlust und macht dem Trauerspiel Platz.« Klaus Müller-Wille widmet sich sehr speziell und aufgehängt am Strindberg-Zitat »Es ist nicht leicht, Mensch zu sein« den Gemeinsamkeiten zwischen dem Dramatiker und dem Regisseur, zwischen Theater und Film. Schließlich lenken Laura Walde und Ursula Lindqvist in ihren Essays den Blick auf weitere Inspirationen aus Kunst und Literatur – etwa Chagall, »Letztes Jahr in Marienbad«, Tschechow und Scheherazade in »Über die Unendlichkeit« – und schlagen einen Bogen von den frühen Werbe- zu den späteren Spielfilmen. Die Texte folgen der Einladung der Filme, in ihren Räumen zu mäandern und zu assoziieren. Nicht unbedingt stringenten Themen folgend, bietet das Büchlein eine anregende Passage durch die Wunderkammern von Anderssons Welt.

 

 

Fabienne Liptay (Hg.): Roy Andersson. edition text + kritik, Film-Konzepte 60, München 2021. 86 S., 20 €, auch als eBook.

Bestellmöglichkeit (JPC)

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt