Streaming-Tipp: »Mystic Pop-Up Bar«

»Mystic Pop-Up Bar« (Serie, 2020). © Netflix

»Mystic Pop-Up Bar« (Serie, 2020). © Netflix

Fischküchlein in Tteokbokki-Soße

In einem roten Zelt in Seoul betreiben Weol-ju und ihr Helfer Guibanjang einen Imbiss, in den sich nur wenige Kunden verirren. Als jedoch der schüchterne Supermarktangestellte Kang-bae dort aufschlägt, ist dies der Beginn einer wortwörtlich wunderbaren Freundschaft. Kang-bae leidet daran, dass er unter allen Umständen menschliche Nähe vermeiden muss: denn bei jeder zufälligen Berührung schütten ihm Menschen ungefragt und ausgiebig ihr Herz aus. Weol-ju indes ist dringend auf der Suche nach Leuten, die ihr die Ohren volljammern. So kann sie deren Groll identifizieren, sie mittels eines besonderen Wässerchens in Schlaf versetzen, ihre Träume infiltrieren und Erleichterung verschaffen. Ihre Popup-Bar ist ein Tarngeschäft, denn Weol-ju ist dazu verdammt, 100 000 Menschen zu erlösen. 99 990 Unglücklichen hat sie in 500 Jahren schon geholfen, doch nun droht ihr die Zeit davonzulaufen. Herr Tod, der ab und zu mit kummervollem Blick in die Bar hereinschneit, gibt ihr noch einen Monat Aufschub. Ansonsten: Hölle!

Ist in Südkorea etwas im Wasser, das Regisseure zu außergewöhnlicher Kreativität beflügelt? Nach »Parasite« freut man sich über diese quirlige und zugleich philosophische Serie, die in Ostasien gerade Megaerfolge feiert. Basierend auf dem Webtoon »Twin Tops Bar« von Bae Hye-soo werden in zwölf Episoden mit Witz und leichter Hand Fantasy und Realität, Traumwelten, Vergangenheit und Streiflichter auf die Härten des Alltags im modernen Südkorea verwoben. Das Szenario erinnert mal an »Chinese Ghost Story« oder »Inception« und mal an Soap-Opera. Im Zentrum steht Kang-bae, gespielt vom südkoreanischen Boygroup-Star Yook Sung-jae, der als Menschenmagnet der jähzornigen Weol-ju neue Fälle zuführen soll. Und während sie als unfreiwillige Therapeutin oft in Verkleidung in Leben und Träumen anderer herumfuhrwerkt, entschleiert sich allmählich ihre eigene Vergangenheit.

Da geht es etwa um eine von ihrem Chef belästigte Angestellte, Nepotismus beim Besetzen lukrativer Staatsjobs, um Wiedergutmachung vergangener Sünden, Kinderlosigkeit, Demenz, die Jagd nach dem ruhelosen Geist einer Verstorbenen. Im Angebot sind auch Abstecher des Trios ins Jenseits, wo die Toten sich einen sportlichen Wettkampf um einen Lottogewinn liefern. Der Sieger kann seinen Nachkommen im Traum die Lottozahlen übermitteln und sie so aus ihrer Armut befreien. Da wird um gute Taten und Karma geschachert; es wird getrickst, bis es kracht, und laut und viel geweint. Der fliegende Wechsel zwischen tiefster Tragik und Slapstick, zwischen Magie und praktischer Alltagsbewältigung läuft stets auf die handfest veranschaulichte Moral der Geschicht' hinaus: Reiß dich zusammen, sei nett zu anderen, Gesundheit ist wichtiger als Geld. Ebenfalls in jeder Episode: ein Traditionsgericht aus der Bar, gegrillte Makrele, Teigtaschen, Fischküchlein in Tteokbokki-Soße. .. Kurz: Diese Pop-up-Bar sollte man unbedingt testen.

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