Nahaufnahme von Christian Clavier

Der will nur lachen machen
Christian Clavier in »Monsieur Claude und sein großes Fest« (2021). © Neue Visionen Filmverleih

Christian Clavier in »Monsieur Claude und sein großes Fest« (2021). © Neue Visionen Filmverleih

Als Asterix und vor allem als »Monsieur Claude« wurde Christian Clavier bei uns bekannt. Dabei ist der Schauspieler seit dem Ende der Siebziger schon eine Säule des französischen Komödienschaffens

Würde »Obelix« durch Berlin, oder durch ein deutsches Dorf spazieren, er wäre sofort von Autogrammjägern umringt; »Asterix« Christian Clavier aber, der pfiffige Kumpel von Gérard Depardieus Obelix, wohl kaum. Und das, obwohl dieser kleine Gallier bei hiesigen Kinogängern nicht nur durch zwei »Asterix«-Kassenhits, sondern zuletzt auch durch die beiden »Monsieur Claude«-Komödien populär sein müsste. Christian Clavier, seit 2008 Ritter der französischen Ehrenlegion, ist jenseits der französischen Grenzen der am wenigsten bekannte Nationalstar. Dennoch ist er – seine Freunde und häufigen Leinwandpartner Gérard Depardieu und Jean Reno hat er auf die Plätze verwiesen – der König des französischen Box-Office. Die Zuschauerzahl seiner Filme bewegt sich im zweistelligen Millionenbereich, und das seit vier Jahrzehnten. In Deutschland lief er dennoch bis zum Start des deutsch-französischen Filmevents »Asterix & Obelix gegen Caesar« 1999 gänzlich unter dem Radar. 

Abgesehen von Claviers Faible für Maskeraden: Ein Grund für diese Ignoranz ist vielleicht, dass er sich vom Beginn seiner Karriere an dem Spaßmachen buchstäblich verschrieben hat – obwohl, Ausnahmen wie Louis de Funès oder »Willkommen bei den Sch'tis« bestätigen die Regel – französischer Sprachwitz schwerer als die Sprüche angelsächsischer Comedians ins Deutsche synchronisierbar ist. Außerdem hat traditionell sowohl links wie rechts des Rheins ein Humor, der hemmungsloses Gelächter hervorruft – wie etwa das »fou rire«, der Lachkrampf, wenn Monsieur Claude einen von seinem Hund geklauten Wurstzipfel mit der gerade absolvierten Vorhautbeschneidung seines Enkels in Zusammenhang bringt – eine schlechte Presse. Doch das ist Clavier, der stets nach Herzenslust dem Affen Zucker gab und sich nie zu fein für Grelles war, ziemlich wurst.  

Der rote Faden seiner Karriere ist Le Splendid, eine jener Comedygruppen, die in den Siebzigern florierten: studentische Selfmade-Kabarettisten, die in improvisierten »Café-Théâtres« in Bistro-Hinterzimmern vor kaum 50-köpfigem Publikum auftraten. Es waren Orte des Experimentierens jenseits des subventionierten Theaterbetriebs, es war Theater von unten mit anarchisch-anzüglichen Sketchen, unmittelbar den Reaktionen des meist trinkenden, schmausenden Publikums ausgesetzt. Christian Clavier, 1952 geboren, entstammt dem Pariser Großbürgertum. Das Sciences-Politiques-Studium, eine elitäre Kaderschmiede – einer seiner Kommilitonen war der spätere sozialistische Präsident François Hollande – ließ er jedoch bald hinter sich, um mit langjährigen Schulfreunden eine Theatergruppe zu gründen. Zu den Mitgliedern gehörten unter anderen Michel Blanc, Gérard Jugnot, Josiane Balasko und Thierry Lhermitte, heute bekannte Schauspieler. Clavier lernte bei Le Splendid auch das Schreiben und Produzieren. 1978 fand ihr Erfolgsstück »Amours, coquillages et crustacés« unter der Regie von Patrice Leconte als »Les bronzés« ins Kino. 

Seit jenen Tagen sind in den meisten von Claviers über 60 Filmen, bis hin zu der Komödie »Mord in St. Tropez« aus dem letzten Jahr, Le-Splendid-Kollegen beteiligt. Die herrlich albernen deutschen Titel seiner frühen – hier meist im Fernsehen gelandeten – Komödien à la »Die Strandflitzer« (Les bronzés), »Da graust sich ja der Weihnachtsmann« (Le père noël est une ordure), »Sonne, Sex und Schneegestöber« (»Les bronzés« im Winterurlaub) lösen Achtziger-Jahre-Nostalgie aus. In »Les babas cool« (1981) machen sich Le Splendid über Landkommunen lustig, in »Les bronzés« nehmen sie den Ferienclub-Boom der Zeit aufs Korn. Damals bestanden Ferienresorts, allen voran »Club Med«, noch aus Hüttendörfern, in denen sich, bespaßt von Animateuren, auch weniger solvente Touristen All-inclusive-Strandurlaube leisten konnten: darunter viele Singles mit der begründeten Hoffnung auf »du soleil et des nanas« (beziehungsweise »des mecs«), wie es in einem Filmlied heißt.

Die Komödien »Da graust sich ja der Weihnachtsmann« (1982) über zwei Telefonseelsorger, die an Weihnachten schrägen Besuch bekommen, und »Papy fait de la résistance« (1983) – nach den Drehbüchern von Ensemblemitglied Clavier – stiegen zu Kultfilmen auf, Filmzitate wurden zu geflügelten Worten. Spielt Clavier in Ersterem einen depressiven Transvestiten, so ist »Papy«, mit Clavier als Möchtegern-Widerständler, der dem mysteriösen »Super-Résistant« mit der Zorro-Maske nacheifert, eine abgefahrene Satire, in der die Heldenmythen der Résistance verulkt werden. 

Stets geht es lärmend und streitsüchtig zu, mit Ohrfeigen und schlagfertigen Repliken, krass und respektlos, doch ohne Latrinenhumor. Der Humor von Le Splendid orientierte sich an der Satirezeitschrift »Charlie Hebdo«, deren Zeichner Jean-Marc Reiser entwarf das Filmplakat für »Da graust sich ja der Weihnachtsmann«. Statt politische Botschaften zu verbreiten, beerben viele Filme von Clavier mit ihrer komödiantisch überspitzten und dadurch entlarvenden Mimikry menschlichen Verhaltens die Commedia dell'arte. Der Witz entsteht meist aus dem Kurzschluss zwischen dem Erhabenen und dem Gemeinen, zwischen Gockel und Trottel, Über-Ich und Es. 

So wie Le-Splendid-Mitglieder selbstironisch mit ihrer eigenen unperfekten Erscheinung Spott trieben, so schrieb auch Clavier in seiner nächsten Erfolgsserie, den drei klamaukigen Zeitreisekomödien um »Die Besucher (ab 1993) sich selbst die Rolle des kleinen, durchtriebenen Knechts mit schlechten Zähnen und Jean Reno die des würdigen mittelalterlichen Edelmanns auf den Leib. Gedoppelt wird Claviers Jacquouille durch Jacquard, seinen im Laufe der Jahrhunderte zum Schlossbesitzer aufgestiegenen aufgeblasenen Nachkommen, der, so der dialektische Treppenwitz, nach der Revolution vom fiesen Knecht zum fiesen Herrn mutierte. Als Asterix perfektionierte Clavier seine Paraderolle des »petit malin«, des gerissenen kleinen Witzbolds. Dass er in »Monsieur Claude und seine Töchter« 2014 aber als grantiger Großbourgeois gegen den Strich besetzt wurde, erwies sich als geschickter Schachzug – und war vielleicht einer der Gründe für den für alle Beteiligten überraschenden Megaerfolg der Komödie. 

Über all diesen burlesken Späßen schwebt der Geist von Louis de Funès, und tatsächlich ist »Papy fait la résistance« de Funés gewidmet, der mitwirken sollte, jedoch vor Drehbeginn verstarb. Auch Claviers Komödie »Mord in St. Tropez« ist eine Reminiszenz – an den Gendarm von Saint-Tropez. Mit Louis de Funès' Genie kann sich Clavier, dessen komödiantisches Talent sich, wie mancher Flop in seinem Repertoire beweist – etwa seine einzige Regiearbeit, die Adoptionskomödie »Zum Glück bleibt es in der Familie« (2011) – nur entfaltet, wenn ihm ein witziges Ensemble die Bälle zuwirft, indes nicht messen. Und doch ist er, sei es als Schauspieler, Drehbuchautor oder Produzent, ein dynamischer Macher, ein Antriebsmotor für die Kunst der Komödie, wie sie gerade das französische Kino auszeichnet. 

Obwohl Clavier gelegentlich ernste Rollen übernimmt, darunter in einer Miniserie als »Napoleon«, betrachtet er es als seine Lebensaufgabe, Menschen zum Lachen zu bringen. Dabei legt er sich, als Duzfreund von Nicolas Sarkozy im linksliberalen »juste milieu« ohnehin übel beleumundet, mit jenem Milieu auch gern an, wie seine Komödie »Hereinspaziert!« (2017) zeigt. Darin spielt er einen versnobten Intellektuellen, der »die Reichen« auffordert, die Armen bei sich aufzunehmen und, beim Wort genommen, eine Roma-Familie bei sich einquartieren muss.

»Hereinspaziert!« (2017). © Universum Film

Kritik an vermeintlich rassistischen Witzen bringt Clavier, einen Verfechter der Meinungsfreiheit, auf die Palme: »Ich für meinen Teil habe es lieber, wenn Probleme mit Humor aufgegriffen werden und es nicht ständig heißt: Man muss, man soll, man darf nicht.« Die Gereiztheit, mit der er Kritik kontert – »In erster Linie muss eine Komödie lustig sein! Um politische Statements geht es mir gar nicht!«, wie er genüsslich Verrisse seiner frühen Erfolgsfilme zitiert, erinnert aber dann doch an Louis de Funès' Widerborstigkeit. Clavier tut nichts, der will nur spielen: »Das Publikum ist extrem wichtig, fundamental, der Daseinszweck des Theaters«, sagt er. Und: »Ich liebe es, Menschen zum Lachen zu bringen«.

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