Der Fluch des Finales

Unsere "steile These" des Monats Juni
Chris Evans in »Avengers: Endgame« (2019) © Walt Disney

Chris Evans in »Avengers: Endgame« (2019) © Walt Disney

Viggo Mortensen, bekannt als Aragorn, Sohn von Arathorn, war im Rückblick nicht ganz glücklich mit den »Herr der Ringe«-Filmen. »Der zweite begann schon, sich aufzublasen, und im dritten gab es vor allem viele Special Effects – was feinsinnig war, ging verloren.« Er könnte etwa die Szenen gemeint haben, in denen ein grüner CGI-Wackelpudding über dem Schlachtfeld von Gondor blubberte und Legolas auf dem Rücken eines rasenden Mûmak herumstand, als wartete er auf den Bus – das Wort »Elefantenkleber« drängte sich auf.

»Ringe«-Regisseur Peter Jackson, der es im »Hobbit« gleich wieder getan hat: zu viele Effekte, befindet sich in prominenter Gesellschaft. »Star Wars«, »Matrix« und »Harry Potter« – sie alle traf der »Fluch des großen Finales«. Der geht etwa so: Du kannst mit einem Blockbuster in Serie gehen und reich werden wie Krösus und als größter Geschichtenerzähler aller Zeit gelten, aber am Ende wirst du dastehen mit Ewoks, Horkruxen und einem Haufen geklonter Schurken, die alle »Smith« heißen, und du wirst das Gespött der Welt sein.

Vermutlich denken die Filmemacher, das Publikum wolle es größer haben – aber nicht anders. Das heißt dann, mehr vom selben. Und nun: der Befreiungsschlag. »Avengers: Endgame« hat den Bann gelöst. Eine 21 Titel umspannende Saga mit einem gigantischen Cast mündet in einen Film, der lange Dialogsequenzen und nur eine richtige Schlacht enthält, der den »Bosskampf« mit einem Fingerschnippen beschließt und allen Beteiligten, auch dem Zuschauer, Zeit gibt, in Gefühlen zu baden. Das könnte man kitschig finden, aber es verbirgt sich dahinter ein in fünfzig Jahren Comicgeschichte geschärfter Sinn für Struktur:

Wenn ein Universum sich aufbläst, muss man irgendwann die Luft rauslassen. Und daraus macht »Endgame« sogar eine humanistische Botschaft. Captain America, der stets darauf beharrt hat, dass man kein Imperium schlagen kann, wenn man sich nicht um seine Lieben kümmert, bekommt das Leben, das ihm die Weltpolitik geraubt hatte. Und der Marvel-Cinematic-Universe-Phase-3-Mega-Film-Film endet in einem Wohnzimmer, mit einem Paar, einem Close-up – ­einem Kuss. Größer geht's nicht.

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