Sky: »Amadeus«
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Genie, Wahn, Eifersucht: Die britische Produktion greift das Sujet von Milos Formans oscarprämiertem Film auf
»Amadeus«, der Film, erhielt seinerzeit acht Oscars und war ein Publikumserfolg. Das liegt nicht allein an der Regie von Milos Forman und dem großartigen Ensemble. Bereits die Vorlage basiert auf einer interessanten Grundidee. So überzeichnet Peter Shaffer in seinem Bühnenstück die historisch verbürgte Begegnung zwischen Mozart und seinem weniger berühmten Kollegen Salieri zu einer Rivalität von biblischer Wucht. Der mediokre Salieri rächt sich an dem vulgären Genie: Er motiviert Mozart zur Komposition seines Requiems. Doch indem sich in diesem Stück seine Kunst vollendet, unterzeichnet Mozart zugleich auch sein eigenes Todesurteil. Leben und Werk werden tragischerweise eins. Aus der Perspektive des von F. Murray Abraham großartig gespielten Salieri wird so die Genialität von Mozarts Musik sinnlich erfahrbar, auch für Zuschauer ohne Klassikpräferenz.
Nun greift eine Sky-Miniserie diesen musikalischen Kriminalfall auf, neu interpretiert vom britischen Drehbuchautor Joe Barton. Unter der Regie des Engländers Julian Farino und der Britin Alice Seabright (»Sex Education«) wurde der Fünfteiler in Budapest und Wien realisiert. Dank jenem Beleuchtungseffekt, der mit Kubricks »Barry Lyndon« berühmt wurde, erzeugt Kerzenlicht in historischen Innenräumen Atmosphäre. Ein Hingucker sind die farbenfroh gestalteten Bühnenbilder berühmter Opern wie Figaros Hochzeit. Auch mit der filmischen Umsetzung von Mozarts Genie und unkonventioneller Kreativität vermag die Serie anfangs zu punkten. So hört er aus dem Gelächter von fünf Frauen, mit denen er am Tisch sitzt, plötzlich Partituren seines neuen Werks heraus.
Insgesamt fehlt es dem Fünfteiler jedoch an Drive. Was unter anderem daran liegt, dass der Charakter Mozarts anders als in der Filmversion eher dramatisch interpretiert wird. Da sich dabei aber oft nur ein Trinkgelage ans andere reiht, erreicht die »Amadeus«-Figur keine Tiefe. Der britischjapanische Darsteller Will Sharpe bleibt in der Rolle blass. Auch Paul Bettany als intriganter Salieri reicht nicht an seinen Vorgänger heran.
Im Gegensatz zu Formans Kinoadaption von 1984 legt die Serienversion jedoch in einigen Aspekten mehr Wert auf historische Genauigkeit. So tritt am Ende die Figur des Dichters und Autors Alexander Puschkin (Jack Farthing) in Erscheinung, auf dessen Einakter Mozart und Salieri von 1830 jene Idee des Mordes zurückgeht, die Shaffer in seinem Bühnenstück variierte. Trotz dieser Werktreue springen Diskrepanzen zwischen dem akribischen Bemühen um glaubwürdig dargestellte Schauplätze und Besetzungsentscheidungen ins Auge, die die historische Authentizität konterkarieren. Wenn »Amadeus« dirigiert, dann führen vor ihm im Orchestergraben Frauen den Geigenbogen, was im 18. Jahrhundert so nicht möglich war. Überhaupt drängt sich der Diversity-Gedanke in den Vordergrund. So wird die schwarze Hautfarbe einiger Nebendarsteller zwar sichtbar gemacht. Sie spielt aber in der Welt der Serie keine Rolle. Ähnliche Diskrepanzen deuten sich in der etwa zeitgleich erscheinenden ARD-Fernsehserie »Mozart/Mozart« an, die den Fokus auf Wolfgang Amadeus' Schwester Maria Anna Mozart legt.
OV-Trailer




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