Kritik zu Schwesterherz

© eksystent Filmverleih

Kraftvolles Debüt, in dem ein schwerer Vorwurf gegen ihren Bruder eine junge Frau in ein emotionales Dilemma versetzt

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Manchmal schlummert das Böse hinter einer sanften Fassade, steckt das Monströse im Liebenswerten, in einem geliebten Menschen. So was ist oft schwer zu glauben. Da verwischen die Grenzen zwischen Gut und Böse, Sicherheiten und bedingungslose Solidarität geraten ins Schwanken. Das gilt für jede enge und vertraute Beziehung, in familiären Konstrukten noch einmal mehr. Die Regisseurin Sarah Miro Fischer nimmt in ihrem Spielfilmdebüt das Publikum mit auf eine solche emotionale, menschlich zutiefst verunsichernde Reise, lässt das körperliche und seelische Unbehagen miterleben und die Zerrissenheit spüren.

Rose (Marie Bloching) wandelt etwas verloren, vielleicht auch suchend durch ihr Leben. Ihren Job in einer gynäkologischen Praxis macht sie gern, aber ohne Ambitionen; sie probiert sich aus, vor allem nachdem sich ihre Freundin von ihr getrennt hat und sie nun ohne Wohnung dasteht. Schließlich kommt Rose bei ihrem großen Bruder Sam (Anton Weil) in dessen kleinem, aber sehr aufgeräumtem Berliner Apartment unter. Stark ist er, ein bisschen ihr Beschützer. So war es immer zwischen ihnen, und so ist es auch jetzt noch, da sie beide erwachsen sind. Selbst die Mutter (Proschat Madani) der beiden fragt erstaunt, ob das nicht ein wenig eng sei. Und Sam antwortet: »Ich finde es schön, dass sie jetzt bei mir ist.«

Mit Freunden verbringen die beiden einen sorglosen Sommer in Parks und am See. Die räumliche Nähe scheinen Sam und Rose zu genießen: sie teilen den Alltag und die Freizeit. Sehr berührend, ohne jedoch ins Pathetische abzurutschen, erzählt Rose bei Sams Geburtstagsgartenparty in großer Runde, dass Sam schon immer in ihrem Leben gewesen sei und ihr Halt gegeben habe. Dann der Bruch, als plötzlich eine Vorladung für Rose im Briefkasten liegt. Eine Frau wirft Sam vor, sie vergewaltigt zu haben, während Rose nebenan auf der Schlafcouch lag. Rose ist die Einzige, deren Aussage einen Unterschied machen kann, wie ihr der bohrende Beamte (Aram Tafreshian) sachlich-eindringlich zu verstehen gibt. Und Rose gerät ins Schwanken. Sie kann oder will sich nicht erinnern. Nur schemenhaft dringen Bilder und Geräusche zurück in ihren Kopf.

Marie Bloching verleiht ihrer Figur eine verletzliche Unsicherheit voller Zartheit und Zweifel. In ihren Blicken, ihren oft nur mühsam hervorgebrachten Worten, ihrer ganzen Körperhaltung spiegeln sich die innere Unruhe und Irritation. Anton Weil als zunächst sympathischer, selbstbewusster junger Mann verleiht seinem Sam ebenfalls mehr und mehr etwas Verzweifeltes. Plötzlich ist Rose seine Beschützerin. Sie muss Verantwortung für ihn übernehmen, aber auch ihren moralischen Ansprüchen gerecht werden. 

Sarah Miro Fischer erzählt von dieser erschütterten Geschwisterbeziehung in leisen, intensiven Bildern, mit einer Kamera, die immer ganz nah vor allem an Rose ist. Dabei nutzt sie nicht nur kraftvolle Bilder, sondern auch eindrückliche Geräusche. Der tropfende Wasserhahn wird zum enervierenden Mahner Roses und hallt ebenso nach wie das bewegende Drama. 
 

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