Interview: Saul Metzstein über »Slow Horses« Staffel 5
»Slow Horses – Ein Fall für Jackson Lamb« (Staffel 5, 2025). © Apple TV+
Mr. Metzstein, für die Regie von Staffel 3 erhielten Sie eine Emmy-Nominierung. Hat das Druck ausgeübt für die Regie der fünften Staffel?
Nein, zum einen, weil wir schon mit den Dreharbeiten begonnen hatten, zum anderen, weil ich mir ziemlich sicher war, dass in dieser Kategorie »Shogun« gewinnen würde.
War es überraschend für Sie, als Sie für Staffel 5 angefragt wurden – oder hatte man ihnen schon am Ende der Dreharbeiten zu Staffel 3 gesagt »We'll meet again«?
Den Verantwortlichen gefiel Staffel 3, die Zusammenarbeit mit Autor und Produzent Will Smith war angenehm, das dürfte eine Rolle gespielt haben.
Wie lange vor Drehbeginn kam die Anfrage?
Ich hatte Season 3 abgedreht, hatte dann zwei Wochen Pause und dann kam schon die Vorbereitung von Staffel 5. Das Problem ist, dass die Postproduktion so lange dauert. Im Unterschied zu vielen anderen Serien wird ja hier jede Staffel von einem einzigen Regisseur inszeniert. Deswegen hat man viel Zeit, davor mit dem Drehbuchautor zusammen zu arbeiten und Ideen auszutauschen, während sonst der Regisseur erst kurz vor Drehbeginn dazustößt. Will Smith und ich haben wochenlang zu zweit in einem Raum gesessen und sind das Drehbuch Seite für Seite durchgegangen. Wenn man vom Fernsehen kommt wie ich, fühlt sich das ziemlich luxuriös an.
Haben Sie auch Zeit, vor Drehbeginn mit den Schauspielern zu proben?
Theoretisch ja – aber wenn man mit so gefragten Darstellern arbeitet, wie wir es tun, dann eher nicht. Was wir allerdings probenmäßig machen, ist mit den Schauspielern zu arbeiten, die Gastauftritte haben. Das ist keine Szenen- oder Kostümprobe, wir sitzen an einem Tisch und erörtern, wer eine Figur ist und was sie macht. Und obwohl wir strenggenommen nicht proben, gibt es doch Proben und Drehbuchänderungen während der Dreharbeiten. Das ist ein sehr kollaborativer Prozess, besonders mit der Stammbesetzung, die ihre Figuren in- und auswendig kennt, weil sie die schon seit Jahren verkörpern. Der Autor ist immer dabei, um entsprechende Änderungen vorzunehmen. Da die Schauspieler ihre Figuren so gut kennen, haben sie oft eine gute Einsicht in das, was ihre Figur macht oder nicht macht – während ich selber den Überblick über alle Figuren behalten muss. Bei einer Serie wie dieser, wo sich hinter dem Thrillergenre ungewöhnliche Figuren verbergen, ist das ein Kernstück der Arbeit.
Hätten Sie ein Beispiel für eine Szene, wo ein Darsteller meinte, das fühle sich nicht passend für seine Figur an?
Ich weiß, das ist schon unzählige Male diskutiert worden, aber zum Beispiel: wie oft darf Gary Oldman in einer Folge furzen? Den Humor nehmen wir ganz ernst. Es wird immer wieder debattiert, wie unhöflich darf er im Umgang mit seinen Mitarbeitern sein? Wie oft ist das abstoßend, wie oft erkennt man aber auch etwas menschliches darin? Das wird immer wieder moduliert, bis hin zum Schnitt. Das betrifft etwa auch die Figur von River Cartwright: einerseits ist er der Held, andererseits hat er einen großen charakterlichen Fehler: er ist gut in seinem Job, aber eben nicht so gut, wie er denkt. Er hält sich für James Bond – was aber nicht der Fall ist. So debattieren wir oft darüber, welchen Grad an Unfähigkeit er hat. Die 'Slow Horses' haben alle einmal versagt bei ihrer Arbeit, deshalb sind sie jetzt im Slough House gelandet, aber der Zuschauer soll nicht über sie als Versager lachen, soll sie vielmehr begleiten und unterstützen darin, ein Versager zu sein – das mag etwas sehr Britisches sein.
Würden Sie sagen, am Ende der fünften Staffel denkt der Zuschauer anders über Roddy Ho, den egomanen Computerexperten unter den Slow Horses, der dieses Mal zum Mittelpunkt der Geschichte wird?
Nein, auf eine komische Art nicht. Die Serie funktioniert so, dass man mehr und mehr über die Charaktere herausfindet. Ihre charakterliche Schwäche ist die, dass sie sich nicht ändern können. Jeder in Slough House hält ja seine Kollegen für wertlos, sich selber aber für zu Unrecht degradiert. Roddys Charakter wird vielfältiger, aber er entwickelt sich nicht. Über Lamb lernen wir mehr, aber auch er entwickelt sich nicht. River dagegen macht eine Entwicklung durch (er ist ja auch nur wegen einer Intrige hier gelandet), auch Louisa, auch Shirley.
Will Smith sagte, das Thema der vierten Staffel war »Verlust«. Können Sie die fünfte Staffel ebenfalls mit einem Begriff charakterisieren?
Nicht mit einem einzigen Begriff. Wir entdecken de Figuren und ihre Traumata, sie werden komplexere Figuren.
Als ich mit Will Smith über die vierte Staffel sprach, sagte er, in der fünften würde es eine große Änderung gegenüber der Romanvorlage geben. Meinte er damit die Figur der Tara?
Ja, da nehmen wir uns Freiheiten heraus – und Mick Herron sagt dann immer, schade, dass er darauf nicht beim Schreiben des Romans gekommen ist. In Staffel drei heißt es im Buch »etwas war in Istanbul geschehen« – in der Verfilmung wurde daraus eine ganze Sequenz, mit der die Staffel begann. Will Smith erlaubt mir immer nur, das Buch einmal zu lesen, danach geht es in die Details, dabei gibt es einen plot und einen wirklichen plot: der plot ist der terroristische Angriff, der wirkliche Plot ist das, wie die Slow Horses damit umgehen. Tara ist das Verbindungsglied zwischen beiden. Das komische daran ist ja, dass niemand Ho glaubt, wenn er behauptet, er hätte eine Freundin – weder die anderen Slow Horses noch die Zuschauer. Für mich ist das der perfekte »Slow Horses«-Witz.
In Staffel drei war es vermutlich die ausgedehnte Action-Sequenz, der Schusswechsel in diesem Geheimarchiv der Regierung, am Ende, der in seinen Bewegungsabläufen am schwierigsten zu inszenierende Teil. Wie war das diesmal?
Im Hinsicht auf die Logistik ist »Slow Horses« nicht eine so große Herausforderung. Für mich war es das Schwierigste, Tara zu finden: sie ist eine ziemlich ambivalente Figur. So nimmt sie auch der Zuschauer war. Sie beginnt als das Klischeebild einer schönen Frau und macht dann mehrfache Veränderungen durch. Das war für mich das Schwierigste. Was die Logistik anbelangt, hatten wir mehrere Massenszenen (Gimbels Wahlveranstaltung, die Szene in der Disco und die Szene im Büro des Bürgermeisters), das erfordert immer große Planung. Die Eröffnungsszene war schwierig im Hinblick auf die Gewalt, die sich dabei entlädt – wie viel davon zeigt man? Normalerweise führt einen die erste Szene jeder Staffel von »Slow Horses« in die Irre, sowohl vom Geschichtenerzählen als auch vom Tonfall her. Staffel drei begann (mit der Istanbul-Sequenz) wie ein James Bond-Film und wurde dann wieder einmal zur Alltagswirklichkeit. Diesmal beginnt es mit einem Massaker – und dann zeigen wir Roddy Ho beim Tanzen. Das ist jedes Mal ein Balanceakt.
Als Sie mit der Arbeit an Staffel fünf begannen, stand es da schon fest, dass es die letzte Staffel sein würde, bei der Will Smith für Buch und Produktion verantwortlich sein würde?
Soweit ich mich erinnere, ja.
Das belastete Ihre Zusammenarbeit aber nicht, die funktionierte wie beim ersten Mal?
Besser, denn wir kannten uns ja schon. Er ist sehr offen für Vorschläge. Und er hat ein vollkommenes Verständnis, wie Handlungspunkte funktionieren. Die Dreharbeiten dauerten 104 Tage, da muss man sich sicher sein, dass das Material funktioniert. Das muss alles vor Drehbeginn geklärt sein, denn wenn die Maschine erst einmal in Gang gesetzt ist, kann man sie nicht mehr stoppen.
Wer hatte die Idee, den Song »She's not threre« von den »Zombies« am Ende als Kommentar zum Geschehen einzusetzen?
Das war meine Idee und dazu gibt es eine schöne Geschichte. Ursprünglich sollte in der Szene gezeigt werden, wie Tara auf der Flucht ihre Jacke auszieht und einem Bettler gibt. Wir konnten aber keine Genehmigung dafür bekommen, an diesem Ort einen Bettler zu haben. Also dachte ich, vielleicht nehmen wir statt eines Bettlers einen Straßenmusiker. Dann hatte ich die Idee, aus dieser Actionsequenz eine musikalische Nummer zu machen. Das war einer dieser glücklichen Momente beim Filmemachen, wo aus einem Problem tatsächlich etwas Originelles entstand. Danke, dass Sie mich danach gefragt haben, denn das ist eine meiner Lieblingsszenen im Film, eine Actionsequenz, aber ganz ohne Gewalt, rein visuelles Erzählen, ohne dass die Figuren etwas erklären müssen. Und es gibt dir Hoffnung. Einerseits ist das ziemlich kitschig, denn der Songtext beschreibt, was zu sehen ist – aber das ist eine hübsche Ironie.
Haben Sie nach einem Song Ausschau gehalten, dessen Text auf die Szene passt?
Ich kam ziemlich schnell auf diesen, weil ich ihn einfach mag, Das war anders bei dem Song als Anfang, zu dem Roddy Ho tanzt. Dafür hatten wir viele Alternativen. Der sollte einfach klarmachen, dass Roddy Ho verliebt ist. Das war eine schöne Möglichkeit, einen Thriller als Musical beginnen zu lassen, so etwas mag ich. Dafür hatten wir tatsächlich viele Sogs, am Ende baten Will und ich den Darsteller Chris Chung in das Zimmer und fragten ihn, was er glaube: bei welchem dieser Songs würde seine Figur das größte Vergnügen empfinden? Nachdem er einen ausgewählt hatte, haben wir mit dem Choreographen gearbeitet, der ziemlich gut darin war, Nichttänzern die entsprechenden Schritte beizubringen.
Die Castingdirektorin, die für die Kleindarsteller zuständig war, brachte uns ungefähr dreißig Videobänder mit StraßenmusikerInnen, die »She's not there« spielten, viele davon waren fantastisch. Wir haben dann mit dem Komponisten Daniel Pemberton gearbeitet, der ein Arrangement schrieb. So etwas kann machen mit einer Serie wie »Slow Horses«, wo niemand den notwendigen Aufwand in Frage stellt. Statt dessen heißt es: Das klingt witzig, das haben wir noch nie gemacht. Auch Roddy Ho, der auf der Straße tanzt, haben wir noch nicht gehabt.
Glücklicherweise gibt es diesmal keine Toten unter den Slow Horses zu beklagen – was sich in den kommenden Romanvorlagen von Mick Herron ändert. Ist das manchmal ein Problem für de Schauspieler, die vermutlich die nächsten Romane schon gelesen haben um zu wissen, wie es mit ihren Figuren weitergeht? Wenn ein Schauspieler weiß, dass er am Ende der Serie nicht mehr da sein wird, müssen Sie ihn dann manchmal trösten?
In meinen beiden Staffeln musste ich glücklicherweise niemanden umbringen. Manche Schauspieler sind erleichtert, andere traurig. Ich weiß nicht, ob Sie die Geschichte kennen über den Schauspieler, der Marcus verkörperte – die Figur kommt ja in Staffel vier ums Leben: er hat seiner Familie nicht erzählt, dass er in der Staffel stirbt – sie haben es erst erfahren, als sie die entsprechende Folge gesehen haben. Ich hoffe, das hat keine Traumata verursacht. Ich denke schon, dass es auch Opfer unter den Guten geben muss, um die Routine der Erzählung zu durchbrechen. Dazu gehört aber auch anderes: wer hätte je gedacht, dass Roddy Ho und Diana Taverner je aufeinandertreffen würden – und das in so einer denkwürdigen Szene, wie wir sie hier in der letzten Folge der Staffel haben!
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