Kritik zu Girls & Gods
Der aktivistische, vielstimmige Dokumentarfilm von Arash T. Riahi und Verena Soltiz setzt sich mit Gläubigen, Religionskritikerinnen und theologischen Reformerinnen der drei monotheistischen Weltreligionen auseinander
Religionen, besonders in ihrer orthodoxen Auslegung, meinen es selten gut mit Frauen und ihren Rechten. Wenn Feminist*innen gegen patriarchale Strukturen kämpfen, sind religiöse Institutionen meist mitgemeint. Nicht alle feministischen Aktivist*innen schreiben sich Religionskritik so plakativ auf die Fahne – oder die blanken Brüste – wie die ukrainische FEMEN, deren internationaler Zweig seit 2013 von Inna Shevchenko von Frankreich aus geleitet wird. Zu Beginn ist Shevchenko zu sehen, wie sie 2012 ein großes Holzkreuz in Kiew medienwirksam mit einer Motorsäge fällte. Ihr Standpunkt bezüglich Religionen wird damit eindeutig vermittelt.
Shevchenko lieferte Idee und Drehbuch für »Girls & Gods« und fungiert als eine Art Erzählerin und Guide auf den verschiedenen Stationen. Sie reist nach Deutschland, Österreich oder in die USA, um Religionskritikerinnen, aber auch Reformerinnen und gläubige Feministinnen zu besuchen. Ihr Fokus liegt dabei auf dem katholischen und orthodoxen Christentum, Judentum und Islam.
So, wie es den einen Feminismus nicht gibt, ist auch der Film darum bemüht, die Bandbreite reiligiöser Praxen möglichst vielfältig darzustellen: Von der exkommunizierten Priesterin Shanon Sterringer über sich selbst als feministisch verstehende Abtreibungsgegnerinnen bis zur Imamin versucht der Film ein breites Spektrum abzubilden. Einerseits ist das die große Stärke von »Girls & Gods«, der in Offenheit und Neugier an Larry Charles’ Religulous erinnert. Der aktivistische Impetus und die von Shevchenko vertretene klare Haltung vermitteln eine engagierte und aufrüttelnde Energie. Andererseits wären es einige Begegnungen wert gewesen, sich mehr Zeit zur Vertiefung zu nehmen. Auch die Tatsache, dass die Mechanismen der drei Religionen, Frauen über ihre Körper und ihre Reproduktionsfähigkeit zu kontrollieren, nicht unähnlich sind, vermittelt »Girls & Gods« anschaulich. Die Intermezzi in Form von Performances und befremdlich ehrfürchtig gefilmten Sakralräumen wirken dagegen wie plakatives Füllmaterial. Die kurzen Szenen, die die Karikaturistin Coco, die 2015 die Anschläge auf Charlie Hebdo überlebte, beim Zeichnen ihrer intelligenten, provokanten Karikaturen zeigen, heben sich davon angenehm ab.
Manche Begegnungen offenbaren dabei eine Art Seelenverwandtschaft zwischen Shevchenko und ihren Gesprächspartner*innen. Wenn sie mit Abby Stein, der ersten Trans-Rabbinerin New Yorks, Arm in Arm durch die Stadt spaziert, ist das ein starkes, solidarisches Bild. In der Diskussion mit der deutschen Journalistin Khola Maryam Hübsch spürt man dagegen eine tiefe Kluft, und wir können dabei zusehen, wie Shevchenko fast die Fassung verliert. Bemerkenswert ist aber der Verlauf, den all diese Diskussionen nehmen. Egal wie erbittert und unversöhnlich die Streitenden in ihren Positionen bleiben, am Ende steht eine respekt- und sogar liebevolle Verabschiedung. We agree to disagree – eine Art der Kommunikation und Konfliktlösung, die der Welt und uns als Gesellschaft auch in vielen anderen Bereichen guttun würde.
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