Kritik zu The Wedding Banquet
Andrew Ahn (»Fire Island«) verpasst Ang Lees Scheinehekomödie »Das Hochzeitsbankett« ein zeitgemäßes Update, in dem die gestiegene Toleranz der Gegenwart für eigene Probleme sorgt
Als der aus Taiwan stammende Ang Lee 1993 mit der Scheinehekomödie »Das Hochzeitsbankett« den Goldenen Bären der Berlinale gewann, waren queere Hauptfiguren im Kino noch eine Seltenheit. In diesem Film verheimlicht ein seit Jahren in New York lebender Immigrant seinen erzkonservativen Eltern in Taiwan, dass er schon lange mit seinem amerikanischen Freund glücklich zusammenlebt. Um sie zu besänftigen, entschließt er sich zu einer Scheinehe mit einer mittellosen Malerin. Wie sich alle zusammenraufen, war damals seiner Zeit weit voraus. Seitdem hat sich viel getan, längst ist die Ehe für alle Realität. Warum also eine Neuauflage des Klassikers?
Regisseur Andrew Ahn (»Fire Island«) hat zusammen mit Co-Autor James Schamus, der bereits maßgeblich an Ang Lees Version beteiligt war, ein ebenso würdiges wie zeitgemäßes Update geschaffen. Im Mittelpunkt stehen diesmal zwei Paare: Chris (Bowen Yang) und Min (Han Gi-Chan) wohnen zur Untermiete bei ihren besten Freundinnen, Angela (Kelly Marie Tran) und Lee (Lily Gladstone). Chris ist orientierungslos, hat seine Unikarriere gerade auf Eis gelegt, Min macht Kunst mit Textilresten, ist aber eigentlich Erbe eines koreanischen Modeimperiums. Seine resolute Großmutter Ja-young (Youn Yuh-jung) fordert, dass er in die Heimat zurückkehrt und das Familiengeschäft übernimmt. Wüsste sie von seinem offen schwulen Leben in Seattle, würde er wohl enterbt. Angela und Lee dagegen wünschen sich Nachwuchs, doch auch der zweite Versuch einer künstlichen Befruchtung misslingt, für einen weiteren fehlt das Geld. Mins Idee würde allen helfen: Durch eine Scheinehe mit Angela bekäme er die Greencard, das Erbe wiederum könnte Lees Behandlung finanzieren. Doch dann kündigt die Großmutter spontan ihren Besuch an, und nun muss alles Nichtheterosexuelle im Haus versteckt und tatsächlich eine traditionelle Hochzeitsfeier organisiert werden.
Die gesellschaftliche Akzeptanz der Gegenwart bringt ganz neue Komplikationen mit sich, und Ahn weiß sie klug zu nutzen. Seine Neuauflage ist immer wieder turbulent und sehr witzig, überzeugt aber vor allem in den nachdenklicheren Momenten und dem authentischen Bild der asiatisch-amerikanischen Queer-Community. Ahn gelingt ein warmherziges Porträt einer Wahlfamilie, das nicht utopisch, sondern gelebte Realität ist. Das liegt nicht zuletzt an der tollen Besetzung, vor allem an Lily Gladstone, die nach »Killers of the Flower Moon« hier ihr komödiantisches Talent ausleben kann, und an Bowen Yang, dessen brillante Auftritte bei der Sketchshow »Saturday Night Live« regelmäßig viral gehen und der hier erstaunlich zurückgenommen und sehr berührend einen schwulen Mann mit Bindungsängsten spielt. Und ein Wiedersehen für alle »Twin Peaks«-Fans gibt es auch: Joan Chen, die in David Lynchs Serie die melancholische Jocelyn Packard spielte, ist hier als May zu sehen, die sich übereifrig und öffentlichkeitswirksam als stolze Mutter ihrer lesbischen Tochter Angela für Homorechte einsetzt und dabei doch vor allem an sich selbst denkt.
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