Nachruf: Michel Blanc
Michel Blanc, Gérard Depardieu in »Abendzug« (1986). © Studiocanal
16. 4. 1952 – 3. 10. 2024
Niemand konnte so fabelhaft mürrisch sein wie er. Er blühte auf als verschubster Griesgram, der kleinlaut mit dem Leben haderte. Es hielt allerdings auch zahlreiche Zumutungen für seine Charaktere bereit, die glatzköpfig waren, ums Liebesglück oder die Karriere geprellt wurden und sich in das eigene Mittelmaß fügten. All diesen Cholerikern, Pfennigfuchsern und Tollpatschigen musste Michel Blanc ihre Würde nicht aufwendig erspielen – er strahlte sie selbstverständlich aus.
Bekannt wurde er als Mitglied der Theatertruppe »Splendid«, die er schon zu Schulzeiten mit Josiane Balasko, Christian Clavier, Gérard Jugnot u. a. gegründet hatte und die seit ihrer Strandflitzer-Trilogie (1978–2006) und weiteren Erfolgskomödien zum burlesken Inventar Frankreichs gehört. Blanc ging als Erster eigene Wege. Sein Regiedebüt, die Tragikomödie »Zwei Fische auf dem Trockenen«, feierte 1984 einen Triumph an der Kinokasse, an den er munter anzuknüpfen wusste. Für sein Porträt des schmächtigen Ehemanns, der in »Abendanzug« zu Gérard Depardieus Objekt der Begierde wird, gewann er zwei Jahre später in Cannes den Darstellerpreis. Beherzt erweiterte er 1989 in Patrice Lecontes Simenon-Verfilmung »Die Verlobung des Monsieur Hire« sein Repertoire um Facetten einer unergründlichen Verletzbarkeit. Fortan suchte er verstärkt nach ernsten Rollen, die er mit einer fast demütigen Sorgfalt ausarbeitete. In diesem Fach wuchs ihm eine nüchterne Autorität zu – als Arzt und Aids-Aktivist in »Wir waren Zeugen« sowie als Kommissar, der in Alain Corneaus Remake von »Der zweite Atem« die Rituale der Unterwelt akribisch studiert hat –, die 2012 in »Der Aufsteiger« kulminierte. Für den Part des zuverlässigen, integren Stabschefs eines Ministers erhielt er seinen einzigen César als Darsteller. In dieser Nebenrolle ließ er ein reiches Innenleben erahnen, inklusive einer tiefen Ehrfurcht vor politischen Traditionen. Mürrische Eigenbrötler verkörperte er weiterhin – vielleicht etwas zu oft, aber nie per Autopilot – und ließ vergnügt zu, dass sie romantisch geläutert oder generell zum Leben bekehrt werden konnten.
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