Nachruf: Michael Verhoeven

Der stille Kämpfer
Michael Verhoeven

Michael Verhoeven

13. 7. 1938 – 22. 4. 2024

Er ist immer seinen eigenen Weg gegangen. Michael Verhoeven steht wie kein anderer seiner Generation für ein politisch orientiertes Kino, das auch die NS-Zeit und den Holocaust beleuchtet hat. Er gehörte zur Generation derjenigen, die mit dem Oberhausener Manifest das Ende von »Papas Kino« einläuteten, stand aber gegenüber den neuen deutschen Autorenfilmern, die sich ja kaum mit dem deutschen Faschismus auseinandergesetzt haben, etwas im Abseits. Zu Unrecht. Verhoevens »Die weiße Rose« (1982) war viel breiter angelegt als Marc Rothemunds späterer Sophie-Scholl-Film und bemühte sich um einen dokumentarischen Ansatz. Dass Verhoeven im Nachspann darauf hinwies, dass die Urteile des Volksgerichtshofs noch immer rechtsgültig waren, sorgte für Kontroversen. Mit Lena Stolze drehte Verhoeven 1990 »Das schreckliche Mädchen«, in dem eine junge Frau über die NS-Vergangenheit ihrer Heimatstadt recherchiert und überall aneckt. Mit »Mutters Courage« verfilmte Verhoeven 1995 das Theaterstück von George Tabori, in dem Taboris ungarische Mutter sich selbst mit List und Selbstbewusstsein vor der Deportation rettet. Beim Kinostart 1995 war der Film durchaus umstritten, weil er seine Geschichte als Tragikomödie und mit Witz und Slapstick servierte. Für einen Skandal sorgte »O.K.«, in dem Verhoeven die Vergewaltigung eines vietnamesischen Mädchens durch GIs in einem bayerischen Wald nachstellen ließ; die Berlinale 1970 wurde durch den Einspruch von Jurymitglied George Stevens abgebrochen.

Michael Verhoeven, der Medizin studiert hatte, war quasi ein Kind der Industrie, damals gab es noch keine Filmschulen. Sein Vater Paul war Schauspieler und Regisseur (und als solcher mit Unterhaltungsfilmen durch die NS-Zeit gekommen), Michael Verhoeven wirkte schon 1954 in »Das fliegende Klassenzimmer« als Schauspieler mit. 1966 heiratete er Senta Berger, mit der er etwa die schöne München-Serie »Die schnelle Gerdi« drehte. Michael Verhoeven, der selbst ein Kino besaß, hat sich für die kulturelle Filmarbeit engagiert, gehörte dem Kuratorium des Bundesverbands kommunale Filmarbeit an und besuchte Festivals. Über die sagte er einmal: »Die Frage nach dem Sinn von Festivals ist so wie die Frage nach dem Sinn des Lebens. Der Sinn des Lebens ist das Leben und so ist das auch bei Festivals.« 

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