Interview: Regisseur Angus MacLane und Produzentin Galyn Susman über »Lightyear«

Angus MacLane, Galyn Susman, Chris Evans bei der Weltpremiere von »Lightyear« in Hollywood (2022). © Getty Images for Disney/Jesse Grant

Angus MacLane, Galyn Susman, Chris Evans bei der Weltpremiere von »Lightyear« in Hollywood (2022). © Getty Images for Disney/Jesse Grant

Nach »Luca« und »Rot«, die pandemiebedingt bzw. als Promotion für den Streamingdienst Disney+ keine Kinoauswertung erlebten, kehrt Pixar mit »Lightyear« auf die Leinwände zurück. War das von vornherein klar oder mussten Sie um einen Kinostart bangen?

MacLane: Als wir vor fünfeinhalb Jahren mit der Arbeit an diesem Film begannen, gab es noch keine Pandemie – natürlich war er damals für die große Leinwand gedacht und wir sind froh, dass er jetzt dort zu sehen ist. 

Welche Rolle spielt dabei, dass dies der erste Pixar-Film ist, der Szenen enthält, die im IMAX-Format gedreht wurden?

Susman: Das stand nicht von Anfang an fest, aber als Angus diesen Vorschlag machte, waren wir alle begeistert davon, vor allem der Kameramann.

Können Sie sagen, ob es Pläne für weitere IMAX-Filme bei Pixar gibt?

GS: Darüber ist mir noch nichts bekannt, aber da wir mit »Lightyear« die Grundlagen dafür gelegt und die Werkzeuge entwickelt haben, bin ich sicher, dass darauf aufgebaut wird, wenn es um Geschichten geht, zu denen es passt. 

Wer die Figur Buzz Lightyear aus den »Toy Story«-Filmen kennt, dürfte vielleicht überrascht sein, dass er hier ein ziemlich gradliniger Held ist, während der Witz seiner früheren Auftritte ja darin lag, dass er nicht akzeptieren wollte, dass er 'bloß' eine Spielzeugfigur ist... – allerdings haben sie ja eine plausible Begründung für diese Figur in Ihrem Film gefunden, wenn es zum Anfang heißt, dies sei der Film, den Andy, der menschliche Besitzer der Spielzeugfiguren in »Toy Story«, 1995 sah und der sein Interesse an Buzz Lightyear und dem Besitz einer Actionfigur von ihm auslöste.

AMcL: Mir schwebte in der Tat ein großer Actionfilm vor. Das ist schon etwas Anderes als wir es in der Vergangenheit bei Pixar gemacht haben – darin lag die Herausforderung. In »Toy Story« war die Dynamik in Bezug auf Buzz Lightyear wesentlich an seine Beziehung an den Cowboy Woody gebunden. Diese Figur gibt es hier nicht, insofern fühlten wir uns frei, die Figur Buzz Lightyear neu zu bestimmen. Allerdings kommen wir auch zu den Wurzeln von Buzz, die mit einer gestörten Sichtweise auf die Realität zu tun hat: in »Toy Story« glaubt er, er sei ein Space Ranger, hier entfernt er sich durch seine immer wiederkehrende Mission von den anderen Charakteren, die jedes Mal um Jahre altern, während er nur sehr, sehr wenig älter wird. 

Die Montagesequenz, die genau dies zeigt, dass er bei seinen jahrelangen Flügen ins All kaum älter wird, während Alicia, seine Vorgesetzte und Freundin, deutlich altert, eine Familie gründet und am Ende stirbt, fand ich sehr bewegend. War das von Anfang an als Montage geplant?

AMcL: Ja, denn es geht ja in der Geschichte und in der Figur von Lightyear wesentlich um das Vergehen von Zeit und deren unterschiedliches Erleben, die den Gegensatz zwischen ihm und den anderen Figuren begründet.

Eine Einstellung in dieser Montagesequenz hat für Kontroversen gesorgt: Alicia tauscht einen Kuss aus nicht mit einem Mann, sondern mit einer Frau. Es gab zwar in früheren Disney-Produktionen Anspielungen darauf, dass es auch gleichgeschlechtliche Liebe geben könne, aber es wurde nie explizit gezeigt. Können Sie mir erzählen, an welchem Punkt der Drehbuchentwicklung das hineinkam?

AMcL: Im Drehbuch war es immer drin, darüber waren wir sehr erfreut, nicht nur aus Inklusionsgründen. Wir wollten nicht, dass Buzz eine romantische Beziehung zu Alicia hat. Indem wir klarstellten, dass Alicia nicht interessiert war an ihm, dass sie kein romantisches Paar waren, war das hilfreich, als ihre Enkelin Izzy auftaucht – weil man dann denken könnte, das hier ist seine zweite Chance für eine romantische Liebe. 

Wurde das, nachdem es im Drehbuch festgezurrt war, sofort an die Pixar-Chefs Peter Docter und Andrew Stanton weitergegeben, um zu sehen, was sie davon hielten? Oder auch schon an Disney?

GS: Es gibt die regelmäßigen 'braintrust screenings', wo wir den Film in verschiedenen Produktionsphasen anderen Pixar-Mitarbeitern zeigen. Da bekommen wir unser Feedback. Disney wird der Film während dieses Prozesses zweimal gezeigt. Daraus beziehen sie ihre Kenntnisse oder auch aus regelmäßigen Gesprächen mit den Pixar-Chefs. An der Entwicklung der Story ist Disney aber nicht beteiligt.

Wann kam es dann zu der temporären Entscheidung durch Disney, die Kussszene aus dem Film zu entfernen (die nach einem Protest der Pixar-Mitarbeiter wieder rückgängig gemacht wurde)?

AMcL: Daran kann ich mich gar nicht mehr erinnern, weil wir gleichzeitig an ganz verschiedenen Teilen des Films arbeiteten. Die Mitarbeiter waren aber angetan von der Szene und wir waren stolz auf den fertigen Film. 

Zu recht! Gestern verbreitete sich die Nachricht, dass einige arabische Länder den Film wegen dieser Szene nicht zeigen werden. Können Sie schon sagen, ob Disney für diese Länder eine Fassung anbieten wird, in der diese Szene herausgeschnitten ist?

AMcL: Nein, das wird nicht geschehen. Disney unterstützt die kreative Vision der Filmemacher. Es ist nicht Disney-Politik, für einzelne Länder alternative Fassungen anzubieten.

Ich denke, diese Szene ist auf jeden Fall ein Durchbruch in dieser Hinsicht. Wissen Sie, ob andere Pixar- oder Disney-Filme davon ermutigt wurden, diesem Beispiel zu folgen?

Beide: Wir hoffen es! 

AMcL: Wir haben uns ganz auf die Arbeit an unserem Film konzentriert und dadurch ein wenig den Kontakt verloren.

GS: Ich bin verhalten optimistisch, dass Leute die Filme heute so erzählen können, wie sie es möchten.

Etwas, was mit dieser Szene in einem gewissen Zusammenhang steht, ist die Frisur mit den braids, den kleinen geflochtenen Zöpfen, die Alicia trägt...

Ja, die Herausforderung, authentische schwarze Frisuren zu schaffen, hat unsere zuständige Abteilung angenommen. Das sind besondere Erfolgserlebnisse, wenn man sieht, wie so etwas kreativ gelöst wird. 

Gab es andere große Herausforderungen bei diesem Film?

GS: Die Größe des Ganzen – wir haben dreimal so viele Effekte in diesem Film wie in einem vergleichbaren anderen Pixar-Film. 

Konnten Sie für das ScFi-Setting des Films auch auf andere Animationsfilme zurückgreifen oder waren da ausschließlich Live-Action-Filme von Bedeutung?

AMcL: Live-Action-Film, aber vor allem die Arbeit bestimmter Kameramänner wie Gordon Willis (der »Der Pate« gemacht hat) oder Henri Decae.

Es gibt eine Figur im Film, von der ich vermute, dass sie sich zu einem Publikumsliebling entwickeln wird...

GS: Socks, die Katze!

Genau. Ich könnte sie mir vorstellen als Protagonistin einer eigenen Reihe von Kurzfilmen, wie jenen mit dem Abschleppwagen aus den »Cars«-Filmen.

Das ist durchaus möglich.

Frühere Pixar-Filme liefen in den Kinos mit einem Kurzfilm vorab....

Das war hier zeitlich nicht möglich. Wir haben mehr Arbeit, seit es Disney+ gibt, was auch neue Prioritäten setzte.

Einen Kurzfilm wird es demnach auch nicht auf der Veröffentlichung von »Lightyear« im Home Entertainment-Bereich geben?

AmMcL: Leider nein.

Dann hoffe ich, dass es dort zumindest einen Audiokommentar geben wird...

AMcL: Den haben wir bereits aufgenommen.

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