Nachruf: Monte Hellman

Beckett in New Hollywood

Monte Hellman, Regisseur, 12.7.1929 – 21.4.2021

Bankräuber auf der Flucht durch winterliche Landschaften (1960 in »Beast from Haunted Cave«). Ein Kopfgeldjäger neben einer geheimnisvollen Frau bei der Verfolgung eines Mannes auf der Flucht, der sich am Ende als er selbst entpuppt (1966 in »The Shooting«). Drei Cowboys auf der Jagd, die zwischen die Fronten einiger Banditen geraten (1966 in »Ride in the Whirlwind«). Drei Männer in aufgemotzten Sportwagen bei einem illegalen Rennen quer durch die USA (1971 in »Two-Lane Blacktop«). Einfache, antidramatische Geschichten, die mittendrin beginnen und im Nirgendwo enden. Kaum Action, wenig Dialoge, schroffe Ellipsen, extrem gedehnte Rhythmen. Und alles in Distanz zu Drama und Figuren, dabei aber offen für Alltägliches, Belangloses, auch Skurriles, das im konventionellen Kino geschnitten würde. Signifikant sein Verzicht auf visuelle Attraktionen. Allein für seine Landschaften suchte er den besonderen Ausdruck: Er sei, so gestand er einmal, »in gewisser Weise ein Landschaftsmaler«. Dabei aber wolle er »die Landschaft nicht nur wegen ihrer Schönheit zeigen«, sie bleibe »geografisch konkret verortet« und solle »ganz aus sich selbst heraus wirken«.

Geboren wurde Monte Hellman 1929 in New York City. 1938 zog seine Familie nach Kalifornien. Ab 1950 studierte er Theater­wissenschaft an der Stanford University, zwei Jahre später Film an der UCLA. Mitte der 50er Jahre gründete er eine eigene Theatergruppe und inszenierte unter anderem Samuel Becketts »Warten auf Godot«. Die Faszination für Beckett hielt sein Leben lang. Zahllos die Bekundungen: Beckett habe ihn nie losgelassen. 1957 traf er Roger Corman – und schloss sich seiner Company an, ohne Cormans Gestus zu übernehmen, Filme mit reißerischen Schauwerten aufzuladen. Ganz im Gegenteil: Hellman reduzierte, verknappte, minimalisierte. Und Corman gestand ihm dies zu. 1974 konnte er noch »Cockfighter« drehen (nach Charles Willeford) und 1988 »Iguana« (nach Alberto Vasquez-Figueroa). Danach blieben nur kleine Projekte. Und Ko-Arbeiten bei Buch, Produktion, Regie, Schnitt.

Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre geriet in Hollywood vieles durcheinander. Plötzlich galten die üblichen Konventionen nicht mehr. Stattdessen waren Wagnis für andere Geschichten und Themen sowie Mut für stilistische und visuelle Experimente angesagt. Statt Helden: ambivalente Außenseiter, statt Glamour: unreines, modern-reflexives Kino. Das New Hollywood feierte große Triumphe. Und Monte Hellman war mitten drin, verlor aber im Lauf der Jahre Erfolg, Ehrgeiz und Wagemut.

Was nun ist das Besondere seiner Filme? Was macht ihren außergewöhnlichen Reiz aus? Einerseits sind sie karg, langsam, schmucklos. Sie sind Etüden für ruheloses Unterwegs-Sein, für existenzielle Irrungen und Wirrungen. Ausnahmslos handeln sie von einsamen, verstörten Personen, »die sich im Kreis bewegen und versuchen, über die Runden zu kommen« (Wilfried Reichart). Andererseits betonen sie das Gestaltete, das Hergestellte, das Fiktive ihrer Fiktionen. Die Filme leben zudem von »Zwischenmomenten«, die, das hatte Hellman aus Jacques Rivettes »Paris Nous Appartient« gelernt, dramaturgisch offen bleiben, als Zusatz gesetzt sind, die Atmosphäre aber insgesamt verändern und stärken. Wobei die Existenz stets der Essenz vorausgeht, das heißt: das konkrete Tun, die kurzen Blicke, die kleinen Gesten, auch die gedehnten Augenblicke, wo alle bloß auf der Stelle treten. 

Dafür ist und bleibt »Two-Lane Blacktop« ohne Zweifel Hellmans Meisterwerk, in dem die Rennfahrer nach und nach ihre Ziele aus den Augen verlieren – zwischen Landstraßen, Motels, Tankstellen. Was Hellman zu einem existenziellen Endspiel verdichtet: durch Auflösung des Komplotts und Schwächung des Kontinuums (also Dehnung der Momente am Rande) sowie durch die Vorliebe für Lücke, für Fragment und Skizze. Noch heute, 50 Jahre nach seiner Premiere, bietet der Film irritierende Erfahrungen.

Überraschenderweise konnte Hellman 2010 noch einen Film drehen. Der Titel: »Road to Nowhere«. Darin geht es um einen Regisseur, der sich in seine Darstellerin verliebt, die in einen Mord verwickelt ist. Road to Nowhere. Ein gutes Motto für einen zwischen den Zeiten zerriebenen Künstler.

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