Evi Goldbrunner & Joachim Dollhopf über ihren Film »Auf Augenhöhe«

Regisseure Evi Goldbrunner und Joachim Dollhopf, Jordan Prentice, Luis Vorbach, Kameramann Jürgen Jürges

Regisseure Evi Goldbrunner und Joachim Dollhopf, Jordan Prentice, Luis Vorbach, Kameramann Jürgen Jürges

Wie sind Sie auf die Themen Kleinwüchsigkeit und Vaterschaft gekommen?

Goldbrunner: Als wir an der Filmhochschule, der HFF in Potsdam, unterwegs waren für einen Dokumentarfilm, kam in einen Friseursalon plötzlich eine kleinwüchsige Frau herein. Sofort herrschte eine ganz andere Atmosphäre – es war eine andere Achtsamkeit da im Umgang miteinander. So kam die eine Idee zur anderen.

Der erste Versuch, das Projekt als Abschlussfilm auf die Beine zu stellen, scheiterte mangels Förderung, mangels Partnern. Gab es dabei konkrete Begründungen für die Absagen?

Dollhopf: Es war damals generell schwierig, Kinderfilme zu machen, die nicht auf bekannten Buchvorlagen basierten. Zum anderen mussten wir auch unser Studium beenden. Als Abschlussfilm konnten wir den Film in der Kürze der Zeit deshalb nicht machen. Diese Wartezeit hatte aber auch den Vorteil, dass wir darauf kamen, die Hauptfigur, Michi, jünger zu machen – dadurch wurde das Ganze organischer. Ursprünglich war Michi ein Teenager.

Sie haben jetzt von der Förderung durch die Initiative »Der besondere Kinderfilm« profitiert. Wie aber ist der Stoff zu der Produktionsfirma RatPack gekommen, deren bisherige Kinderfilme ja im Mainstream-Sektor angesiedelt sind?

Dollhopf: Das lag an unserem Produzenten Martin Richter, der für RatPack als freier Produzent tätig ist. Mit seiner eigenen Produktionsfirma wollte er den Stoff damals schon als unseren Abschlussfilm produzieren.

Haben Sie nach dem Darsteller des kleinwüchsigen Vaters zunächst in Deutschland gesucht?

Goldbrunner: Wir haben gründlich recherchiert, ebenso unser Caster. Aber es gibt natürlich nicht viele professionelle kleinwüchsige Darsteller und es reichte ja auch nicht nur, dass er kleinwüchsig ist – er musste auch eine große Emotionalität haben und im richtigen Alter sein. Auch die Größe war wichtig – jemand wie David Bennent oder Volker Zak, die über 1,50 Meter sind, wäre zu groß gewesen, Jordan Prentice dagegen ist 1,24 Meter.

Den kennt man hierzulande wohl vor allem aus »Brügge sehen und sterben«. Wie sind Sie schließlich auf ihn gestoßen?

Dollhopf: Wir haben auf YouTube einen Clip aus seinem letzten Film gesehen, der uns aufmerksam werden lies. Den haben wir uns dann auf Umwegen besorgt. Wir hätten auch gerne mit einem guten deutschsprachigen Schauspieler gedreht, das hätte einiges einfacher gemacht, im Hinblick auf den zweisprachigen Dreh und die deutsche Synchronisation.

Wie haben Sie das Sprachproblem beim Dreh gelöst?

Dollhopf: Jordan hatte ein englisches Drehbuch mit den deutschen Texten seiner Mitspieler, bei den anderen war es umgekehrt. Zusätzlich haben wir viel geprobt, eigentlich wie mit einer Theatertruppe. Louis hatte sich schon mit seiner Mutter vorbereitet, die Englisch kann, so wusste er seine Stichworte.

Beim Schluss habe ich mich gefragt, ob das realistisch ist oder auch Hoffnung vermitteln soll: kann sich ein Minderjähriger seinen Vater selber aussuchen?

Goldbrunner; Es gab im Voice-Over ursprünglich noch den Satz: »Tom durfte mich nicht adoptieren, aber er hat die Pflegschaft für mich übernommen.« Das ist eine Form, die vom Jugendamt abgesegnet ist. Die Jugendamtsmitarbeiterin in unserem Film hat allerdings so eigenmächtig gehandelt, dass sie damit ihren Job riskiert. Aber wir haben ja gezeigt, dass sie von Anfang an eine ist, die viel Verständnis hat.

Sie müsste eigentlich den jetzt gefundenen Vater über die Existenz seines Sohnes informieren…

Goldbrunner: Genau. Nur ist sie im Augenblick die Einzige in der Behörde, die davon weiß.

[Spoiler] Der Twist, dass Tom sich am Schluss eben nicht als Michis Vater erweist, war von Anfang an Bestandteil des Drehbuchs?

Goldbrunner: Ja, weil wir von vornherein an den schmerzhaften Kern der Geschichte herankommen wollten.

Dollhopf: Wir haben recherchiert, dass die Frauen selten bei kleinwüchsigen Männern bleiben, dass es da Druck der Familie und der Umwelt gibt. Man sagt es so leicht, »Die Größe ist unwichtig«, aber das stimmt leider nicht. Das hat für uns einfach zu der Geschichte dazu gehört.

Es gibt im Film ja einige durchaus harte Auseinandersetzungen, etwa als Tom seinen Ruderkameraden vorwirft, sie hätten ihn nur genommen, weil er so klein und deshalb leicht sei. Oder auch, wenn er das erste Mal zu Michi in das Heim kommt und dort von den anderen Kindern verspottet wird. War für Sie von vornherein klar, dass man das in dieser Härte zeigen sollte?

Dollhopf: Der Michi hat sich in dieser Situation ja auch nicht gerade fein benommen. Jedes Heimkind, das war ebenfalls ein Ergebnis unserer Recherche, hat eine große Sehnsucht nach den Eltern, auch wenn die Erzieher noch so liebevoll sind. Wenn sie mal ein Wochenende zu ihrer Familie dürfen, ist danach im Heim alles beschissen für sie, deshalb reagieren sie bei anderen manchmal mit Häme, Neid und Rache.

Goldbrunner: Das Mobbing geht eigentlich nicht gegen Tom, sondern gegen Michi – Tom wird nur dazu benutzt. Die Kinder haben uns auch bestätigt, dass es in Wirklichkeit oft sogar noch härter zugeht, wenn jemand gemobbt wird.

Michi ist fast in jeder Szene präsent. Das erforderte aufgrund des Alters des Darstellers wahrscheinlich eine lange Drehzeit?

Wir hatten 35 Drehtage, denn mit Kindern darf man nur wenige Stunden am Tag drehen. Den Louis hat man dann fast immer vom Set tragen müssen – der schimpfte wie ein Rohrspatz: »Jetzt rede ich mal mit der Frau vom Gewerbeaufsichtsamt! Ich will noch weiter drehen!« Der brennt dafür, der hat keinen Tag geschwächelt, mit dem hätte man noch ewig weiterdrehen können. Er hatte auch eine große Stütze in seiner Mutter.

Wie kommt der YouTube-Star Phil Laude in diesen Film?

Wir hatten uns gedacht, wir brauchen ein Idol, das die Kinder anhimmeln, einen großen Bruder. Und dafür schien er uns passend. Es hat dann auch so gepasst, dass der Phil jetzt gerade seine YouTube-Karriere abgeschlossen hatte und etwas Neues machen wollte, er war ja auch schon im letzten »Bibi & Tina«-Film dabei. Leider hatte er nur zwei Tage Zeit, sonst hätten wir seine Rolle noch ausgebaut.

Gibt es bei Ihnen eine Arbeitsteilung?

Dollhopf: Wir haben den Stoff lange gemeinsam vorbereitet, Unterschiede gibt es da nur im Detail.

Goldbrunner: Wir haben den Schauspielern gesagt, dass sie die Regieanweisungen von uns beiden bekommen, das war, auch für die Kinder, o.k. Der Nachteil ist, wenn man am Set kurzzeitig getrennt wird, dann kann es schon mal widersprüchliche Anweisungen geben. Der Vorteil ist, dass der andere übernehmen kann, wenn der eine mal eine Pause braucht.

Mit Jürgen Jürges hatten Sie einen höchst renommierten Kameramann. Haben Sie mit ihm vorab ein visuelles Konzept entwickelt?

Dollhopf: Wir haben gesagt, es soll ein wilder Film werden, auch ein zeitloser Film – auch daher kam die Idee, ihn anzusprechen, er hat eine universale Bildsprache. Wir haben auch ein Lichtkonzept entwickelt, wo es auch um Kontraste ging. Die Mobbingszene etwa war total hell, weil es an dem Tag sehr heiß war. Gerade dieses Raue gefällt aber den Kindern – dass hier nichts geglättet wird, was man bei Kinderfilmen gelegentlich doch macht.

Aufgrund des Films könnte man vermuten, Sie haben an der Filmschule viel dokumentarisch gearbeitet…

Goldbrunner: Nein, allerdings ist die erste Übung an der Filmschule ein Dokumentarfilm.

Werden Sie dem Kinderfilm treu bleiben?

Goldbrunner: Wir hatten vorher nichts mit dem Kinderfilm zu tun, haben aber jetzt ein bisschen Blut geleckt, einfach, weil das Arbeiten mit den Kindern so eine große Bereicherung war. Ich würde gerne Filme machen, die nicht explizit Kinderfilme sind, ich würde mir wünschen, dass »Auf Augenhöhe« als Familienfilm angenommen wird.

Sie haben außerdem auch eine Software fürs Drehbuchschreiben entwickelt, »DramaQueen«….

Goldbrunner: Wir hatten nach dem Studium die Chance, mit Unterstützung der Uni eine Firma zu gründen. Da haben wir das entwickelt, das wurde zu unserem zweiten Standbein. Wir haben die inhaltlich-konzeptionelle Ebene gemacht und zwei ehemalige Kommilitonen haben die Programmierung übernommen. Das ist eine Stoffentwicklungssoftware. Mehr kann man auf unserer Website erfahren, man kann sie einfach herunterladen und drei Monate testen.

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