Zum Tode des Dokumentarfilmregisseurs Peter Voigt

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»Peter Voigt«

Peter Voigt ist am 12. März kurz vor seinem 82. Geburtstag in Berlin gestorben

Peter Voigt hat zahlreiche sowohl inhaltlich wie formal ungewöhnliche Dokumentarfilme gedreht, meist für die DEFA und das Studio H&S, nach 1989 dann für den SFB und Tele Potsdam – trotzdem ist er noch zu entdecken, denn die Filme sind kaum irgendwo zu sehen. Ich stieß 1977 bei der Arbeit für das Buch "Film in der DDR" in der blauen Hanser-Reihe auf Peter Voigt. Er hat mir mehrere Filme im Schneideraum gezeigt. Weitere Filme sah ich dann bei Festivals (Leipzig und Nyon). Die beste Auskunft über ihn gibt sein 28-Seiten-Interview in dem Band "Das Prinzip Neugier", 2012 im Verlag Neues Leben Berlin erschienen – ein Monumentalwerk über den DEFA-Dokumentarfilm.

Voigt ist am 26. Mai 1933 in Dessau geboren. Schon als Jugendlichen zog es ihn zum Theater. Mit 20 Jahren schaffte er den Sprung zum Berliner Ensemble und zu Brecht. Er hat bei Inszenierungen assistiert, aber es ging am Schiffbauerdamm wohl recht locker zu, denn für ihn waren das "zweieinhalb verträumte Jahre, in denen ich zu sprechen und zu atmen lernte." Godard, Straub und Benno Besson haben ihn damals fasziniert. Danach arbeitete er in Dresden im Trickfilmstudio der DEFA, ab 1961 freischaffend in Berlin, wo er Heynowski und Scheumann (H&S) kennenlernte.Von 1969 an war er in ihrem Studio fest angestellt, aber nicht beteiligt an ihren großen und oft umstrittenen Produktionen. Er hatte seinen Frei- und Spielraum.

Blickt man auf das sehr umfangreiche und vielfältige Werk von Peter Voigt, so gibt es doch so etwas wie eine Grundstruktur: das Gruppenporträt. Das beginnt bei seinen frühen Filmen und bestimmt auch die späten. Selbst »Ein Mann seltener Art« (1970), das Porträt des von den Nazis 1933 ermordeten kommunistischen Schauspielers Hans Otto, erweitert sich zum Bild einer Gruppe, die ihre künstlerische und politische Überzeugung zusammengeführt hat, von den Bühnenarbeitern bis zu Elisabeth Bergner. Oft ist es auch ein Thema, und nicht eine Zentralfigur, die aus einer lockeren Zahl von Menschen eine Gruppe macht. In dem Film »Internationalisten« (1977) werden DDR-Bürger nach dem in der DDR wichtigen Thema internationale Solidarität befragt. Ich erinnere mich, dass bei der Leipziger Filmwoche die stockende, nachdenkliche Art ihres Sprechens bei den DDR-Offiziellen nicht gut ankam, sie wollten mehr Pathos. Tatsächlich aber erlebte man in dem Film eine Gruppe von Menschen, die sich ehrlich mit dem Thema auseinandersetzten.

"Ich muss etwas erfragen wollen, was ich nicht weiß", sagte Voigt schon 1977 der Zeitung "Sonntag". Er hatte also zu Drehbeginn keine unumstößliche Konzeption. Das war besonders wichtig für Filme wie »Ich bin ein Fritz« (1973), dem Porträt eines Historikers, der als Kind in die UdSSR kam und 1945 als sowjetischer Offizier nach Deutschland zurückkehrte. In der UdSSR lebte er in einem Jugendheim. Am 22. Juni 1941, als die deutsche Armee die Sowjetunion überfiel und sich die Nachricht verbreitete, es sei Krieg, fragten die Jugendlichen: "Gegen wen?" Wegen des Hitler-Stalin-Paktes hätte es ja Deutschland nicht sein dürfen. In der DDR war der Pakt ein absolutes Tabu-Thema. Voigt hat den Satz nicht herausgeschnitten.

In den späten Jahren der DDR und nach 1989 wurde das Gruppenporträt noch wichtiger. Die Zentralfigur ist nun Voigt selbst. In »Stein schleift Schere« (1987), »Knabenjahre« (1989) und »Metanoia« (1991) sind es jeweils einige Männer, zu denen auch Voigt gehört, die von ihrer Kindheit im "Dritten Reich", von der Hitlerjugend und schließlich vom Kriegsende 1945 erzählen, für die DDR ein Tabubruch, denn bis dahin hatten nur Antifaschisten eine Stimme. Diese Trilogie war ein notwendiger Reinigungsprozess, ein Neubeginn, "die Frühzeit der Gegenwart", sagte Voigt.

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