Nordische Filmtage Lübeck 2015

Nicht so kalt wie es aussieht
»Die Rückkehr« (2015)

»Die Rückkehr« (2015)

Die nordischen Filmtage Lübeck boten in diesem Jahr einen niveauvollen Wettbewerb – dominiert von den nachdenklichen Dänen und kreativen Isländern

Filme aus den skandinavischen Ländern haben gerade einen guten Lauf bei uns. Im November und Dezember starten zwei sympathische Komödien aus Island: »Virgin Mountain« von Dagur Kári um einen 40-Jährigen, der noch bei seiner Mutter wohnt, und »Sture Böcke« von Grímur Hákonarson, der von einem Zwist unter schafzüchtenden Brüdern erzählt. Nimmt man den in San Sebastián ausgezeichneten »Sparrows« von Rúnar Rúnarsson hinzu, so deutet das auf einen kreativen Höhenflug der Isländer hin.

»A War« (2015)

Alle drei Filme präsentierten auch die 57. Nordischen Filmtage Lübeck, die alljährlich so etwas wie eine Leistungsschau der Filmländer Skandinaviens und der Ostsee-Anrainerstaaten bieten. Den niveauvollen und ansehnlichen Wettbewerb dominierten in diesem Jahr die Filme aus Island und Dänemark. Einer der interessantesten davon war »A War« (Krigen) von dem Dänen Tobias Lindholm. Claus Pedersen ist Feldwebel einer kleinen Einheit in Afghanistan, die die Bevölkerung schützen und gegen die Taliban vorgehen soll.  Auf einer Patrouille erschießt einer der Scharfschützen einen Taliban, der eine Bombe transportiert – von hinten, das ist erlaubt. Bei einer zweiten Patrouille gerät die Einheit in einem Dorf in einen Hinterhalt, einer der Männer wird lebensgefährlich getroffen. Pedersen fordert Luftunterstützung an, die auf seine Anweisung hin auf einen Bezirk feuert – allerdings werden dort später nur tote Zivilisten gefunden. Pedersen wird in Dänemark angeklagt und der Prozess dreht sich darum, ob er tatsächlich feindliches Feuer gesehen hat; das Motiv, seinen Kameraden zu retten, zählt nicht. Es ist ein Fall, der der »Kundus-Affäre« ähnelt, als ein deutscher Oberst zwei von Taliban entführte Tanklastzüge bombardieren ließ. »A War« macht es uns nicht einfach: Wer was gesehen haben könnte, geht im Beschuss unter, und mitunter sind die Kämpfer nicht von Zivilisten zu unterscheiden.

»Unter dem Sand« (2015)

Das Thema Krieg war sicherlich ein roter Faden in Lübeck. In »Unter dem Sand« (Under Sandet) von Martin Pieter Zandvliet, ebenfalls aus Dänemark, müssen junge deutsche Kriegsgefangene an der dänischen Küste Minen räumen unter der Aufsicht eines die Deutschen hassenden dänischen Offiziers. Es ist ein mitunter atemberaubend spannender Film – in dem es allerdings gegen Ende ein bisschen zu sehr menschelt. In »Die Rückkehr« von Henrik Martin Dahlsbakken (Norwegen) taucht der Krieg vermittelt auf: in Form eines heimkehrenden Soldaten. Seine beiden Söhne erwarten ihn, die Mutter liegt krank im Bett. Es geht weniger um den irgendwie traumatisierten Soldaten als um die Situation einer zerfallenden Familie. Als der Vater von einem Jagdausflug nicht zurückkommt, suchen die Söhne ihn in den Bergen. Im Mittelpunkt des Debütfilms steht das Verhältnis der beiden Brüder, von denen der ältere längst schon zu einer Art Familienoberhaupt avanciert ist. »Die Rückkehr« ist ein stilles Drama um die tatsächliche und emotionale Suche nach dem Vater, in der die imposante, majestätische Kulisse die zerbrochene Familie kontrastiert. Dass dieser noch auf 35-mm-Zelluloid gedrehte Film den Hauptpreis des Festivals gewonnen hat, ist nachvollziehbar.

»2 Nächte bis zum Morgen« (2015)

Dass Filme aus dem Norden nicht schwer und getragen sein müssen, wissen wir seit Aki Kaurismäki. Und von dem hat Jonas Selberg Augustsén in seinem in Schwarzweiß gedrehten Roadmovie »Der Müllhubschrauber« viel gelernt: Die Reise dreier Roma-Geschwister zu ihrer Oma in den Norden ist ein kleines Meisterwerk in Sachen Lakonie und bizarrem Alltag. Aber der schönste Film im Wettbewerb war eine Liebesgeschichte, »2 Nächte bis zum Morgen« von Mikko Kuparinen, eine Affäre zwischen einer französischen Architektin und dem finnischen DJ Jaako in Vilnius während des Vulkanausbruchs. Ein Film, der seine Protagonisten langsam entblättert und in dem zumindest für Caroline am Ende nichts mehr so sein wird wie zu Beginn.

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