Die Frau im Schatten

Zum Tod der Schauspielerin Joan Fontaine
joan fontaine.jpg
Oft spielte sie die Frau, die man erst auf den zweiten Blick bemerkt. An Schönheit fehlte es Joan Fontaine nicht, aber diese blühte zaghaft in den Augen ihrer männlichen Partner auf. In Alfred Hitchcocks Rebecca kann sich ihre Heldin nur schwer behaupten gegen die Erinnerung an die Titelheldin, die ihren Ehemann noch immer gefangen hält. Auch als Jane Eyre in Die Waise von Lowood ist sie in einen Mann verliebt, dessen Herz noch an ihrer Vorgängerin hängt. Nicht besser erging es ihr, wenn sie sich, wie in Hitchcocks Verdacht oder Max Ophüls‘ Brief einer Unbekannten, narzisstischen Verführern hingab, die zu spät merken, welche Chance zu moralischer Erneuerung ihnen entgangen ist.
 
Fontaine verstand diese Figuren gut. Ihre Karriere wurde überstrahlt vom Ruhm ihrer Schwester Olivia de Havilland. Nur einmal geriet sie ihr gegenüber ins Vordertreffen: als sie 1941 den Oscar für Verdacht gewann; in einem Jahr, in dem auch die Ältere im Rennen war um den begehrten Preis. Seit der Beerdigung ihrer Mutter 1975 sollen nicht mehr miteinander gesprochen haben.
 
Joan wurde 1917 in Tokio geboren. Die Eltern trennten sich, als Joan fünf war. Die Mutter zog mit den Töchtern nach Kalifornien. Beide Schwestern debütierten 1935 im Kino. Während Olivia an der Seite von Errol Flynn rasch zum Star aufwändiger Historienfilme wurde, nahm Joans Karriere langsam Fahrt auf. Ihre vornehme Aura entsprach allerdings genau den Vorstellungen, die man sich in Hollywoods Besetzungsbüros von britischem Adel machte. Dieser Rollentyp stand zumal während des Zweiten Weltkriegs hoch im Kurs. Ihre Figuren entwickelten oft große romantische Durchsetzungskraft. Die Zweig-Verfilmung Brief einer Unbekannten (1948) führt vor, welche Stärke sie der Verletzbarkeit abringen konnte.
 
Danach verblasste ihr Stern. Sie hatte tragende Nebenrollen in Filmen von Nicholas Ray und Fritz Lang und feierte 1957 einen letzten Triumph in dem schwülen Karibik-Melo Heiße Erde. Der Rest ihrer Karriere stand im Zeichen schaler Gastrollen im Kino und Fernsehen. Im Privatleben bewies sie eine Tatkraft, die ihr auf der Leinwand meist verwehrt bliebt: Sie war eine leidenschaftliche Pilotin und Ballonfahrerin sowie eine exzellente Sportlerin und Köchin. Am Sonntag, den 15. Dezember 2013 ist sie in ihrer kalifornischen Wahlheimat Carmel gestorben.

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt