11/2021

In diesem Heft

Tipp

»Atypical« widmet sich mit großer Sensibilität dem Alltag eines Teenagers mit Autismussymptomen, ohne auf billige Effekte zu setzen, aber dafür mit offenem Auge auch für die komischen Seiten
Von Los Angeles nach San Francisco: Die vierte Staffel der Anwaltsserie »Goliath« widmet sich der US-amerikanischen Opioid-Krise
Im Dickicht der Zukunft: Mit »Foundation« geht Isaac Asimovs monumentale Science-Fiction-Erzählung in Serie
Mein Leib und Blut: Mike Flanagan legt mit »Midnight Mass« eine weitere psychologische Horrorserie vor
Rettet die Einhörner: Der Avantgarde-Comiczeichner Dash Shaw präsentiert mit »Cryptozoo« ein Zeichentrickmärchen für Erwachsene
Brandaktuell, ungewöhnlich spannend: Dem ZDF gelingt mit dem achtteiligen Politthriller »Furia« eine Serie von internationalem Format
Taika Waititi und Sterlin Harjo haben mit »Reservation Dogs« eine Serie kreiert, die einerseits vom schwarzhumorigen, surrealen Witz des Neuseeländers Waititi geprägt ist, andererseits mit seltener Authentizität vom Aufwachsen in einem Reservat erzählt
Berlin, 16.–21.11. – Das internationale Kurzfilmfestival Berlin kuratiert über 400 Werke in dotierten Wett bewerben genauso wie in Spezialprogrammen und mit verschiedenen Talk- und Workshopformaten. Dabei decken die Filme politischen Anspruch genauso wie künstlerische Experimentierfreude ab. Vom 14. bis 28.11. findet zudem zum 14. Mal das Schwesterfestival KUKI mit Kurzfilmen für Kinder und Jugendliche statt.
Kassel, 16.–21.11. – Kurze und lange Dokumentarfilme sowie künstlerisch-experimentelle Produktionen stehen im Mittelpunkt des Kasseler Dokumentarfilm- und Videofests. In verschiedenen Sektionen kommen so ca. 250 Arbeiten zur Aufführung. Zudem bietet das Festival insbesondere dem hessischen Filmnachwuchs Möglichkeiten zur Weiterbildung.
Wiesbaden, 12.–21.11. – Die 34. Ausgabe des Festivals für unabhängige internationale Produktionen hat aktuell mit den USA einen Länderschwerpunkt, der bereits in den Jahren zuvor intensiv behandelt wurde. Den Anfang macht die Komödie »Queen of Glory« mit Nana Mensah als Regisseurin, Drehbuchautorin und Hauptdarstellerin. Außerdem ist Lance Oppenheimers Dokumentation »Some Kind of Heaven« zu sehen.
Mannheim/Heidelberg, 11.–21.11. – Seit 1952 entdeckt und fördert das IFFMH junge Regietalente; es gehört mit seinem ambitionierten Programm zu den traditionsreichsten Filmfestivals Deutschlands. In der Jubiläumsausgabe gibt es neben den bekannten Wett bewerben eine Retrospektive, die ausgewählte Highlights aus 70 Jahren Festivalgeschichte präsentiert.
Duisburg, 10.–14.11. – Zum 45. Mal schafft die Duisburger Filmwoche eine Platt form und ein Diskussionsforum für Dokumentarfilme aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Zur Eröffnung gibt es die Uraufführung von »Köy«, einem Film über Berliner Kurdinnen aus drei Generationen. Regisseurin Serpil Turhan ist auch zum Gespräch zu Gast.
Tübingen/Stuttgart, 3.–10.11. – Die Französischen Filmtage wollen in ihrer 38. Ausgabe über Sinn und Unsinn von Identitätskultur nachdenken. Ein Länderschwerpunkt liegt auf Quebec und dem frankophonen Afrika. Im internationalen Wettbewerb konkurrieren neun Debütfilme. Als Eröffnungsfilm läuft das Biopic »Aline« von Valérie Lemercier.
Biberach, 2.–7.11. – Die 43. Biberacher Filmfestspiele gehen mit Nathalie Arnegger als neuer Intendantin an den Start. Sie möchte die Festspiele in ihrer traditionellen Art mit intensivem Publikumsaustausch fortführen. Dabei sollen in Zukunft besonders Filmschaffende in allen operativen Bereichen vorgestellt werden, mit Augenmerk auf der Arbeit von Frauen.
Braunschweig, 1.–7.11. – Mit hybridem Konzept geht das 35. BIFF an den Start. Als »Fenster zur Welt« zeigt es eine Vielzahl an deutschen und internationalen Produktionen sowie einen Fokus auf dem Dokumentarfilm. Die »Europa« fürs Lebenswerk, verbunden mit einer Werkschau, geht an den Schauspieler Sebastian Koch.
Erstaunlich aktuell: Der TV-Dreiteiler »Die Affaire Dreyfus« (1968)
Restauriert und gut ausgestattet: »Mandabi«, ein Klassiker des afrikanischen Kinos
Über Jahrzehnte hinweg entfaltet Sebastian Meise sein Gefängnisdrama um den wegen Paragraph 175 immer wieder einsitzenden Homosexuellen Hans und seinen Kumpel Viktor. Franz Rogowski und Georg Friedrich brillieren
Profiteur der Kollaboration: Joseph Loseys »Monsieur Klein« frisch restauriert
Singende Hippies: Milos Formans Musical »Hair« auf Blu-ray
Am 10.11. spricht Franziska Stünkel mit epd-Film Redakteur Rudolf Worschech im Kino des Deutschen Filmmuseums über ihren Film »Nahschuss«
Exzentrischer Agentenfilm: »Das Milliarden Dollar Gehirn« von Ken Russell
Der Mann aus dem Osten: Der Western »Weites Land« von William Wyler
Auf neuen Wegen: der Animationsfilm »Aya und die Hexe« vom Studio Ghibli
Harald Mühlbeyer, Stammgast in den Mitternachtsvor­stellungen des »Cinema Quadrat«, über Filmerfahrungen der dritten Art
Maria Orska? Klingelt nichts? Dem kann abgeholfen werden: mit einer vorbildlichen Biografie des Stars der 10er und 20er Jahre
Das Academy Museum in Los Angeles hat mit einer Ausstellung über Hayao Miyazaki eröffnet. Das Begleitbuch der Kuratorin Jessica Niebel über den Regisseur hat das Zeug zum Klassiker

Thema

Das Schriftstellerporträt »Lieber Thomas« führt in einem rauschhaften Lauf durch ein halbes Jahrhundert deutscher Geschichte. Regisseur Andreas Kleinert erklärt im Interview mit Anke Sterneborg seinen relativ entspannten Blick auf die DDR, sein Faible für stilisierte Sprache und die Vorzüge des Schwarzweiß
Mit 60 blickt Tim Roth auf eine recht ­exzentrische Karriere zurück: ­Kultauftritte bei Tarantino, ­würdige Indiefilme, ­zweifelhafte Blockbuster, viele Geschichten über Männer in Krisen. Jetzt ist er in Mia Hansen-Løves »Bergman Island« zu sehen
»Eiffel in Love« erzählt spielerisch vom Bau des Turms, der Paris als Stadt der Moderne markierte. Gerhard Midding über die Geschichte des Eiffelturms im Film – von René Clair bis »Mars Attacks«

Meldung

Eingeschränktes Platzangebot durch die Sicherheitsbestimmungen und eindringliche Filme: das 29. Filmfest Hamburg
Sofia erlebte 2020 heftige Massenproteste gegen den bulgarischen Autokraten Boris Borissow, der das Land im Schatten der EU zu einer Hochburg der Korruption und Geldwäsche machte. Im November stehen die (dritten) Neuwahlen an. Ein Stimmungsbild von zwei Festivals 
Edimotion feiert die Kunst des Filmschnitts in fast vorpandemischer Festivalatmosphäre und würdigt mit Ingrid Koller erstmals eine Österreicherin mit dem Ehrenpreis für ihr Lebenswerk
Dramen über jugendliche Einzelkämpfer, die sich ihren Platz in einer komplexen und schwierigen Welt erobern müssen, beherrschten LUCAS – Internationales Festival für junge Filmfans in Frankfurt 
Beim Internationalen Filmfestival von San Sebastián überzeugten Filme, die von heranwachsenden jungen Frauen erzählten. Und der Hauptpreis ging, wie in Cannes und Venedig, an eine Regisseurin
Seit 70 Jahren gibt die Jury der Evangelischen Filmarbeit monatliche Filmempfehlungen heraus. Mit der Vorsitzenden Margrit Frölich sprach Ulrich Sonnenschein
Eugene Boateng, 36, Schauspieler, Choreograf, Tänzer, hatte seinen ersten größeren Kinoauftritt in Becks letzter Sommer. Jetzt ist er als Hauptdarsteller in »Borga« zu sehen

Filmkritik

Francis Lees Film über eine Affäre zwischen zwei Frauen im Dorset des frühen 19. Jahrhunderts ist nicht leicht zugänglich. Gerade in seiner sperrigen Sinnlichkeit geht er aber, auch dank Kate Winslet, besonders nahe
Inspiriert vom gleichnamigen autobiografischen Buch, erzählt Pierre Monnard von einer Tochter und ihrer drogenabhängigen Mutter. Ein feinfühliges Coming-of-Age vor heftiger innerfamiliärer Drogenkulisse
York-Fabian Raabe macht in seinem furiosen Debüt aus der Migrationsgeschichte ein vielschichtiges Drama, das immer wieder nach Afrika zurückkehrt
Über Jahrzehnte hinweg entfaltet Sebastian Meise sein Gefängnisdrama um den wegen Paragraph 175 immer wieder einsitzenden Homosexuellen Hans und seinen Kumpel Viktor. Franz Rogowski und Georg Friedrich brillieren
Ein Paar im ökonomischen Hamsterrad: Der Film beginnt als konzentriertes Porträt eines Paares am Limit, driftet dann aber in einen überdramatischen Telenovela-Modus voller dramaturgischer Leere ab
Dokumentarfilm über den weltweiten Einfluss Richard Wagners und die Faszination Bayreuths auf Fans und Experten gleichermaßen. Erhellend und durchaus kritisch
Wie entsteht eigentlich ein investigatives Polit-Magazin? Der Dokumentarfilm von Miguel Müller-Frank will eine Antwort geben, aber nicht ausformulieren
Sehr vergnüglich erzählt Peter Meister in seiner Gaunerkomödie von einem Duo (Bernhard Schütz und Jacob Matschenz), das an »Dick und Doof« erinnert, und garniert das Ganze mit ein paar Splatterelementen. Logische Brüche und allzu viel Klamauk lassen sich da wegschmunzeln
Gelungener Animationsfilm über eine ungewöhnliche Freundschaft, der eine berechtigte Warnung vor der Abhängigkeit vom Internet und den sozialen Medien skizziert
Eine faszinierende, wechselvolle Biografie mit einer widersprüchlichen Gestalt im Zentrum: Andreas Kleinerts Biopic zu Thomas Brasch vollzieht den Lebensweg nach, wird aber den Widersprüchen in ihrer Tiefe nicht immer ganz gerecht
Mit einer fiktiven Affäre von Gustave Eiffel wird in diesem Filmdrama versucht, der Errichtung des Eiffelturms romantischen Glanz zu verleihen, wobei weder der Liebesgeschichte und noch weniger dem Genie des Erbauers genüge getan wird
Das geht an die Niere: Arnold ist nicht der Mann, auf den Kathrin in Zeiten der Not zählen kann. Rasch wächst sich das drohende Organversagen in dieser etwas bühnenhaft geratenen Komöde zu einem allgemeinen Liebes- und Freundschaftsversagen aus.
Das Spielfilmdebüt von Edouard Bergeon beruht auf der Geschichte seines eigenen Vaters, der den väterlichen Hof voller ehrgeiziger Pläne übernahm und dann hochverschuldet in Depressionen fiel. Hervorragend besetzt wirft das Drama ein Schlaglicht auf die andauernde Agrarkrise in Frankreich
Kunstvoll verschachtelt und doch schnörkellos erzählt, ist Mia Hansen-Løves Drama über ein Filmemacher-Paar eine wunderbar elegante und subtile Studie über das Verhältnis von Leben und Kunst
Eine der radikalsten deutschen Genrearbeiten der vergangenen Jahre: Die Erzählung um einen charismatischen Sektenführer entpuppt sich als politische Allegorie und als bittere Abrechnung mit mehr als nur der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert
Sönke Wortmanns Remake der französischen Debattier-Komödie »Die brillante Mademoiselle Neïla« kommt leider nie so richtig in Schwung
Die israelische Filmemacherin Yael Reuveny sammelt in einem Mosaik Eindrücke zur Stimmungslage der 40-Jährigen in Israel
Fast zehn Jahre nach Martin Millers Buch über seine Mutter Alice geht dieser starke Dokumentarfilm mit ihm und einer Cousine auf eine Entdeckungsreise in die Kriegs-Traumata der »zweiten Generation«
In seinem Film verarbeitet der iranisch-niederländische Filmemacher Kaweh Modiri die realen Erfahrungen seiner Mutter. Nach der Hinrichtung ihrer Tochter wird sie im Exil mit der Verräterin konfrontiert
In diesem märchenhaften Historienfilm über einen Koch im Ancien Régime, der mit einer mysteriösen Frau das Konzept eines bürgerlichen Restaurants entwickelt, wird das Essen und Genießen als demokratische Errungenschaft gefeiert
Ildikó Enyedi folgt erneut einer unwahrscheinlichen Liebesgeschichte. Sie erforscht die Dynamik zwischen den Geschlechtern, kann aber die schönen Oberflächen von Kostüm und Ausstattung nicht durchdringen
Paramount plante um Albert Speer ein Biopic. Seine Gespräche mit Autor Andrew Birkin haben sich erhalten – symptomatisch für die Leugnungsstrategien seiner Generation
Lena Stahls Debütfilm ist eine persönliche Auseinandersetzung mit der fragilen erzieherischen Balance zwischen beschützen und beengen, helfen und behindern, sehr unmittelbar ausgespielt von Anke Engelke und Jonas Dassler
Holzschnittartig und mit zwei arg hölzernen Protagonisten erzählt Jakob Zapf von der Freundschaft eines missmutigen Rentners (Jürgen Prochnow) mit einem jemenitischen Mädchen (Milena Pribak), das seine Familie vor der Abschiebung bewahren will
Porträt des in Deutschland viel zu unbekannten jüdischen Unternehmers, Philanthropen, Kunstmäzens und Verlegers Salman Schocken, der Anfang des 20. Jahrhunderts mit seinen modernen Kaufhäusern viele Städte Südostdeutschlands bereicherte
Zeitreise ins Swinging London: Tief in der Filmgeschichte verankert, feiert Edgar Wright das Kino, blendet aber die hässliche Unterseite des Glamours nicht aus und versetzt dem Zuschauer heilsame Schocks
Mit bisher unveröffentlichten Tonbandaufnahmen von Wegbegleitern und restauriertem Archivmaterial setzt der britische Filmemacher James Erskine einer der größten Jazzsängerinnen ein Denkmal
Liebenswürdige Literaturverfilmung nach einem an Oliver Twist erinnernden Motiv
Für den immensen Erfolg auf den Musicalbühnen von New York und London dürften vor allem die Songs aus der Feder von Pasek & Paul verantwortlich gewesen sein. Denn der problematische Protagonist und ein Plot, der allzu leichtfertig mit den psychischen Schwierigkeiten von Teenagern umgeht, halten dem Brennglas der Kamera nicht stand
Eine scheinbar zufällige Begegnung zwischen einem Stararchitekten und einer jungen Frau entwickelt sich zu einem psychologischen Katz-und-Maus-Spiel, in der Verfilmung leider mit wenig Spannung
Kelly Reichardts ungewöhnlicher, großartiger Western erzählt von einer Männerfreundschaft, vom Kuchenbacken und vom Wesen des Kapitalismus
In der Fortsetzung der Marvel-Adaption um ein symbiotisches Wesen aus Mensch und Alien mit Tom Hardy in der Doppel- und Titelrolle sind nur die Nebenschauplätze interessant
Janna Ji Wonders berührendes Porträt über fünf Frauengenerationen ihrer Familie am oberbayerischen Walchensee ist in ihrer Collage aus Privatvideos, Fotografien und intimen Gesprächen zugleich persönliche Identitätssuche und eine Zeitreise durch deutsche Gesellschaftsgeschichte
Vermutlich wäre ein Dokumentarfilm über das Leben von Yotam Ottolenghi noch spannender geworden. Doch uninteressant ist es nicht, wie Regisseurin Laura Gabbert ihn und einige Kolleg*innen bei der Vorbereitung zu einem Event am Metropolitan Museum of Art in New York begleitet
Mit dem Ende von »Spectre« schien der erzählerische Bogen, der sich über die Ägide Daniel Craigs als James Bond spannte, vollendet. Aber Cary Fukunaga versucht, den Mythos in seiner Dämmerung noch einmal neu zu definieren, halb traditionsbewusst, halb ikonoklastisch. Craig vollzieht den Generationenwechsel mit Hingabe und Würde
2004 gewann Außenseiter Griechenland mit seinem deutschen Trainer Otto Rehhhagel überraschend die Fußball-EM. Wie es dazu kam, schildert mitunter etwas pathetisch dieser Dokumentarfilm
In einem religiösen Zentrum für jugendliche Mütter in Buenos Aires lernt eine junge Novizin zwei 17-jährige Mütter kennen und entwickelt selbst Muttergefühle. Maura Delperos Spielfilmdebüt thematisiert leise-eindrücklich eine Mutterwerdung und entwirft ein Porträt der Weiblichkeit
Der etwas kitschige Weihnachtsfilm konfrontiert die besinnliche Zeit mit der Dramatik um die Rettung eines bedrohten Waldes. Ein Mädchen kämpft entschlossen um dessen Erhaltung

Film