Kritik zu Wintertochter

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Zwei Menschen auf der Suche nach ihren Wurzeln: Johannes Schmid hat nach Blöde Mütze! ein Roadmovie gedreht, das sich auch Gedanken macht über das Verhältnis zwischen Polen und Deutschen

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Die zwölfjährige Katharina, kurz Kattaka genannt, und die alte Lene begeben sich von Berlin aus Richtung Polen auf eine Fahrt ins Ungewisse, mit dabei Kattakas Freund Knäcke. Für das Mädchen ist es die Suche nach ihrem leiblichen russischen Vater, der auf einem Frachter in Stettin Station macht. Kattaka hat durch Zufall an Heiligabend erfahren, dass der, den sie ihr Leben lang für ihren wahren Vater hielt, eben nicht ihr genetischer Papa ist – eine erschreckende Erkenntnis. Lene erklärt sich bereit, Kattaka nach Stettin zu fahren, man ist abends sicher wieder zurück. Für beide wird die Reise in Lenes klapprigem Barkas-Bus schmerzhaft und zugleich erkenntnisreich werden. Als der Frachter nicht mehr in Stettin liegt, sondern sich schon auf dem Weg nach Danzig befindet, bringt Kattaka die Alte dazu, ihm weiter zu folgen – stur, bockig und mit einer Verzweiflung in ihrer jugendlich ungestümen Art. Diesem Wunsch kann Lene nicht wiederstehen. In ihrem Innersten rührt die Beharrlichkeit des Mädchens eine Erinnerung an, der sich Lene ihr Leben lang verschlossen hat. In der Nähe von Danzig geboren, hatte sie als Kleinkind einst alles auf der Flucht verloren – dorthin soll sie nun zurückkehren?

Es ist ein wunderbares Roadmovie entstanden, in großartigen Scope-Bildern verfolgen wir die kleine Reisegruppe – zu den drei Berlinern gesellt sich später noch ein polnischer Jugendlicher –, die sich bis in die karge Schneelandschaft der Masuren durchschlägt. Hier fungiert die Landschaft gleichsam als Abbild der eingefrorenen Beziehung der alten Lene zu ihrer Heimat, an die sie sich kaum erinnern kann. Nur sehr widerwillig lässt sie eine Annäherung zu, immer getrieben von der Furcht, was sie dort wohl entdecken wird. Kattaka fungiert hier als Projektion, die Lene zeigt, dass es wichtig ist, sich seiner Sehnsüchte bewusst zu sein und, koste es was es wolle, sich seinen Ängsten zu stellen.

Johannes Schmid beweist in seinem zweiten Spielfilm nach Blöde Mütze! (2007) ein sicheres Gespür für die leisen Zwischentöne, Wintertochter ist kein actionreiches Werk geworden – wozu das Genre Roadmovie verleiten könnte –, sondern ein nachdenklicher Film auch über die deutsch-polnische Vergangenheit und die Wunden, die der Zweite Weltkrieg bis heute hinterlassen hat. Michael Bertls Kamera findet dafür starke Bilder, die manchmal ganz an Farbe zu verlieren scheinen und sich behutsam an die Personen herantasten. Sie werden sehr sorgsam von einer beinah minimalistischen Musik untermalt, die lediglich kommentiert, aber nie versucht, unseren Zugang zur Geschichte zu lenken.

Leider ist das Ende des Films der Versuchung aufgesessen, einen allzu süßlichen Schlusspunkt zu setzten. Kattaka trifft in Danzig ihre Eltern wieder, und ihre hochschwangere Mutter bekommt dort ihr Baby. Die heilige Familie in der Silvesternacht – das relativiert den eigentlichen Antrieb, aus dem heraus die beiden die Reise angetreten und fortgesetzt haben. Man würde die Protagonisten, denen man so lange mitfiebernd gefolgt ist, lieber dabei beobachten, wie sie mit ihrer neuen Identität zurechtkommen.

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