Kritik zu Verliebte Feinde

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Werner Schweizer porträtiert die außergewöhnliche Liebe zwischen dem erzkonservativen Richter und Nationalrat Peter von Roten und der liberalen Frauenrechtlerin Iris Meyer als Zwitter zwischen Spiel- und Dokumentarfilm

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Unerhört! Diese Frau, sagt einfach, was sie will: »Jetzt muss alles anders werden! Ich will alles, was mein Herz begehrt: Freiheit! Wilde Abenteuer! Beruflichen Erfolg! Das schäumende Leben . . . « Dabei ist die studierte Juristin Iris von Roten keine spröde Suffragette, sondern eine schöne, kapriziöse Frau, die nach der ersten, langersehnten Nacht mit ihrem frisch angetrauten Mann enttäuscht sagt, das habe sie sich anders vorgestellt, sinnlicher, erfüllender. Ganz selbstverständlich forderte sie schon in den 40er Jahren die völlige Gleichberechtigung von Mann und Frau in wirtschaftlichen, politischen und sexuellen Dingen und eckte damit im konservativ katholischen Klima der Schweiz heftig an: »Das können sie doch nicht ernst meinen, mit dem Wahlrecht der Frauen« (das in der Schweiz dann tatsächlich auch erst 1971 eingeführt wurde), sagt ein Politiker beim Gartenfest konsterniert und ahnt nicht, wie ernst es der Dame ist.

Verliebte Feinde ist eine Kreuzung aus Spiel- und Dokumentarfilm, basierend auf dem umfangreichen Briefwechsel zwischen Iris und ihrem Mann Peter von Roten und einem Buch, das der Schweizer Historiker und Schriftsteller Wilfried Meichtry daraus kompiliert hat. Verfilmt hat den Stoff Werner Schweizer, der sich schon häufiger schillernden Biografien mit einem Mix aus Archivmaterialien, Zeitzeugenaussagen und Spielszenen genähert hat, zum Beispiel Franz von Werra, dem Jagdpiloten der deutschen Luftwaffe, der als einziger Deutscher aus britischer Kriegsgefangenschaft entkommen ist, oder dem Chirurgen Christian Barnard, der den Ruhm der ersten Herztransplantationen womöglich mit einem schwarzen Laborassistenten hätte teilen müssen. Wie diese Männer ist auch Iris von Roten eine Ausnahmegestalt, die aus ihrer Zeit herausfällt. Seltsamerweise spricht sie aus ihren Briefen sehr viel sinnlicher und greifbarer als in den nachinszenierten Spielszenen mit Mona Petri und Fabian Krüger, in denen dieses schillernde Paar oft spröde und sperrig wirkt. Auch das gemeinsame Kind – Iris von der Roten bekannte sich offen zu ihrem Desinteresse an Kindererziehung und forderte zur Entlastung der Frauen eine »kollektive und anonyme Fürsorge für den Nachwuchs« – erweist sich in den Gesprächen als so sympathisch, gewinnend und in sich ruhend, dass man nicht den Eindruck hat, sie hadere mit ihrer unabhängigen, selbstbewussten Mutter. Vielleicht sind genau diese stilistischen und emotionalen Brüche aber auch der angemessene Weg, sich einer Biografie zu nähern, die immer widerspenstig war. Faszinierend ist, wie der politische Kampf im Film in der intimen Liebesbeziehung zwischen dem erzkonservativen Richter und Nationalrat und der liberalen Frauenrechtlerin gespiegelt wird: Von Roten schreibt über seine zukünftige Frau: »Ich bin tatsächlich oft innert einer Viertelstunde Dein Todfeind und Dein Anbeter.« Interessant wäre allerdings gewesen, mehr darüber zu erfahren wie Iris zu ihrer selbstbewussten Haltung kam, wie sie so entschieden für Rechte eintreten konnte, die noch heute, 55 Jahre nach dem Erscheinen ihrer feministischen Kampfschrift »Frauen im Laufgitter«, keineswegs selbstverständlich sind.

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