Kritik zu Solidarity

© Farbfilm Verleih

2025
Original-Titel: 
Solidatiy
Filmstart in Deutschland: 
25.09.2025
L: 
90 Min
FSK: 
12

Der deutsch-schweizerische Dokumentarfilmer David Bernet analysiert in seinem Film, was Solidarität angesichts multipler Fluchtbewegungen heute eigentlich bedeutet, und prangert Doppelstandards der Europäer an

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Achtzig Jahre ist es her, dass mit der Gründung der Vereinten Nationen ein Versprechen gegeben wurde – das Versprechen, den Krieg zu ächten und Auseinandersetzungen zwischen Nationen auf friedliche Weise beizulegen. Heute scheint das weniger denn je zu funktionieren. Gilt das Prinzip der Solidarität mit den Schwachen überhaupt noch oder ist das höchstens eine selektive Solidarität, die mit unterschiedlichen Maßstäben misst?

Das will der deutsch-schweizerische Dokumentarist David Bernet (»Democracy – Im Rausch der Daten«) mit diesem Film erkunden. Seine Reise beginnt im Herbst 2021 an der polnisch-ukrainischen Grenze, als diese von polnischer Seite geschlossen wird und jegliche humanitäre Hilfe für die Flüchtlinge verboten wird, die man als Spielball östlicher Autokraten ansieht – die Bilder kennt man aus Agnieszka Hollands Spielfilm »Green Border«, die EU unterstützt den Kurs der polnischen Regierung. Ein halbes Jahr später allerdings, nach dem russischen Angriff auf die Ukraine, gibt es eine Welle der Hilfsbereitschaft im Land.

Drei Frauen, die hier vor Ort arbeiten, werden zu den Protagonistinnen des Films: die polnische Menschenrechtsaktivistin Marta Siciarek, Gillian Triggs, die stellvertretende Leiterin des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, und Christine Goyer, die Repräsentantin des UNHCR in Polen. Sie helfen selbst vor Ort oder versuchen, die Arbeit der Helfer zu koordinieren und die knappen Ressourcen sinnvoll zu verteilen. In den Konferenzen sind Frauen fast immer unter sich. Es sind bekannte Bilder, die der Film zeigt, aber auf der Leinwand, im Scopeformat 1 : 2,39, wirken sie intensiver als in den Nachrichtensendungen des Fernsehens oder gar auf dem Smartphone. Dazu hören wir aus dem Off die Stimme des Filmemachers, der bedächtig artikuliert, Fragen stellt, auf die er genauso wenig eine Antwort hat wie die Protagonistinnen des Films. Zu den drei Frauen gesellen sich zwei Männer, der UN-Hochkommissar für Flüchtlingsfragen, Filippo Grandi, und der libanesische Philosoph Bashshar Haydar. Der spricht von der unterschiedlichen Nähe, die die Europäer zu Geflüchteten empfinden würden, und benennt damit den zentralen Punkt des Films, vom Regisseur selbst als »die dunkle Seite der europäischen Solidarität« bezeichnet: dass, wie es Gillian Triggs einmal formuliert, Europa zwar Platz für vier Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine hätte, aber nicht für ein paar Tausend aus der Subsahara. Dass der von ihr als »Goldstandard« proklamierte Fall einer Eingliederung von Geflüchteten in die Gemeinschaft samt Arbeitserlaubnis nur von einem Prozent erreicht würde, spricht Bände.

Der Film unterstreicht das mit einer Familie in einem jordanischen Lager, die zwar aus einem Krisengebiet gerettet wurde, aber seit zwölf Jahren in einer vom UNHCR errichteten Zeltstadt festsitzt, zur Untätigkeit verdammt. Neues erfährt man aus diesem Film nicht, aber als Appell, darüber nachzudenken, was Solidarität meint und wie man sie heute praktizieren sollte, hat er seine Berechtigung.

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