Kritik zu My Sweet Pepper Land

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Der Wilde Westen im Nahen Osten: In Hiner Saleems (Vodka Lemon, Kilométre Zero) Bürgerkriegsdrama muss sich ein kurdischer Gesetzeshüter gegen eine archaische Stammesordnung durchsetzen

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3 (Stimmen: 3)

Nach fünfzehn Jahren Unabhängigkeitskampf fühlt sich der kurdische Kriegsheld Baran (Korkmaz Arslan) untauglich für den Frieden. Dies zeigt die beklemmende Eingangsszene, in der er die neuen Machthaber, darunter ein Polizist und ein Imam, an die Einführung von Gesetz und Sicherheit mahnt. Als erste Maßnahme lässt er im Beisein von Zeugen einen mutmaßlichen Verbrecher aufknüpfen, der erst im zweiten Versuch quälend langsam stirbt. Die Spirale von Gewalt und Willkür dreht sich offenbar endlos weiter – Sympathieträger führt man normalerweise anders ein.

Dem düsteren Intro lässt der Kurde Hiner Saleem in seinem neuen Film eine verblüffende Wendung folgen. Der friedensmüde Baran will nicht von seiner Mutter mit einer dicklichen Frau verkuppelt werden. Lieber lässt sich der unermüdliche Kämpfer in ein abgelegenes Dorf im Grenzgebiet zwischen Irak, Iran und der Türkei versetzen. In diesem gebirgigen Niemandsland will er eine marode Polizeistation befestigen, was sich als Mission Impossible erweist. Seine Vorgänger wurden alle von dem Stammesführer Aga Azzi (Tarik Akreyi) ermordet, der hier den Schmuggel mit Medikamenten kontrolliert und kein Interesse hat, sich einem bürgerlichen Gesetz zu beugen. Gemeinsam mit seinem wackeren Kollegen Reber (Suat Usta) sagt er der korrupten Willkürherrschaft den Kampf an.

Um gegen Agas Übermacht zu bestehen, braucht Baran eine animalische Brutalität, die ihn selbst teilweise als Gesetzlosen erscheinen lässt. Er bekämpft nicht nur Korruption und Willkür, sondern den überkommenen Ehrbegriff, für den der Stammesführer Aziz steht. Als besonders »ehrenhaft« gilt es gemäß diesen archaischen, frauenverachtenden Gesetzen zum Beispiel auch, die unverheiratete junge Lehrerin Govend (Golshifteh Farahani) als Hure zu verleumden. Prompt rücken deren aufgebrachte Brüder an, die zu einem Ehrenmord bereit sind.

Was in der Zusammenfassung nach einer geballten islamkritischen Lektion klingt, hat Saleem formal geschickt verpackt. Nicht nur die beeindruckenden Landschaftspanoramen, auch Cowboyhüte, Patronengurte und vor allem die Konfliktsituation erinnern an einen typischen Western. Korkmaz Arslan überzeugt als martialischer Gesetzeshüter, der ein wenig wie Django wirkt, dabei aber auch Elvis Presley und Johann Sebastian Bach hört und einmal sogar ein gefühlvolles Lied singt. Ebenso stimmig beobachtet ist die Figur von Gol­shifteh Farahani, die als junge Frau ihr Leben selbst bestimmen will. Die markanten Klänge, die sie mit ihrem eigenartigen Schlaginstrument erzeugt, unterstreichen die melancholische Stimmung dieses unterkühlten Bürgerkriegsdramas.

Tritt dann noch eine Gruppe weiblicher Partisanen auf den Plan, um sich an Aziz zu rächen, dann wähnt man sich für einen Moment in einem Film von Quentin Tarantino. Diese unterschiedlichen Aspekte fügt Saleem relativ zwanglos zusammen. Obwohl er hier und da handwerkliche Schwächen zeigt, gibt es keine Durchhänger. Das ambitionierte Projekt hinterlässt einen sympathischen Gesamteindruck.

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