Kritik zu Love & Friendship

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Whit Stillman inszeniert seine Adaption von Jane Austens wenig bekanntem Briefroman »Lady Susan« als Schauspielerinnenfest für Kate Beckinsale und Chloë Sevigny. Voll spielerischer Gags deutet er den Stoff als Parabel über die Macht des Geldes und den Emanzipationswillen einer Frau

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Natürlich verstößt Lady Susan (Kate Beckinsale), eine attraktive, aber gänzlich mittellose Witwe, gegen alle gängigen Regeln der Etikette und der Moral. Nach dem finanziellen Ruin und Tod ihres Mannes ist ihr nichts mehr geblieben außer ihrer strahlenden Schönheit und ihrem scharfen Geist. Und beides spielt sie ohne jeden Skrupel aus. Mit ihrem Charme und ihrem Witz kann sie nahezu jeden Mann der besseren Gesellschaft erobern. Nur bringt sie damit unweigerlich deren Mütter, Frauen und Schwestern gegen sich auf.

Es ist also nicht weiter verwunderlich, dass die Witwe gleich zu Beginn von »Love & Friendship«, Whit Stillmans bissiger Adap­tion von Jane Austens wenig bekanntem Briefroman »Lady Susan«, Hals über Kopf einen herrschaftlichen Landsitz verlassen muss. Diesmal ist sie eindeutig zu weit gegangen. Die Ehe des in ihren Augen »göttlichen« Lord Manwaring ist zerstört und ihr eigener Ruf zutiefst beschädigt. Also sucht sie Zuflucht bei Charles, dem Bruder ihres verstorbenen Mannes, und dessen Familie. Aber auch dort, auf Churchill, ist ihre Zukunft alles andere als sicher. Sie zieht zwar umgehend Reginald (Xavier Samuel), den jüngeren Bruder ihrer Schwägerin Catherine (Emma Greenwell), in ihren Bann. Zudem hat sie mit dem reichen, aber einfältigen Sir James Martin (Tom Bennett) auch schon den idealen Ehemann für ihre Tochter Frederica (Morfydd Clark) gefunden. Doch Catherine erweist sich als beharrliche Gegenspielerin, die immer wieder alles daransetzt, Lady ­Susans Pläne zu durchkreuzen.

Von dem romantischen Gestus der meisten Austen-Verfilmungen ist Whit Stillman weit entfernt. Liebe ist in der Welt des späten 18. Jahrhunderts für Frauen wie Lady Susan und ihre beste Freundin, die Amerikanerin Alicia Johnson (Chloë Sevigny), ein Luxus, den sie sich eigentlich nicht leisten können. In einem ihrer wenigen wirklich aufrichtigen Gespräche mit ihrer Tochter umreißt Lady Susan ihre prekäre Situation mit einem brillanten Aphorismus: »Wir leben nicht, wir sind zu Besuch.« Leben im weiteren Sinne kann eben nur, wer von anderen unabhängig ist; und unabhängig ist nur, wer über die nötigen finanziellen Mittel verfügt.

Also dreht sich »Love & Friendship« eben nicht vorrangig um Liebe und Freundschaft. Im Zentrum steht das Geld und mit ihm eine brennende Sehnsucht nach Sicherheit, nach einem Auskommen, das alles andere erst ermöglicht. All das hat auch Jane Austen immer wieder thematisiert. Aber bei ihr ist die Liebe noch ein Gegengewicht. In Whit Stillmans satirischer Sittenkomödie bleibt sie gewichtslos. Lady Susan manipuliert die Menschen ganz nach ihrem Belieben. Hemmungen kennt sie keine. Wären da nicht die für das 18. Jahrhundert typischen großen Hüte mit den riesigen Pfauenfedern und die mit Rüschen verzierten Kleider, könnte man Beckinsales Lady Susan fast für eine Femme fatale aus einem Film noir der 40er Jahre halten. Ihre Skrupellosigkeit hat dabei etwas ungeheuer Verführerisches.

Doch das ist nur die eine Hälfte von Beckinsales ambivalentem Porträt einer Frau, die zugleich auch ein Opfer der gesellschaftlichen Verhältnisse ist. Selbst in den Momenten, in denen sie ihre Mitmenschen gezielt demütigt, strahlt sie noch eine gewisse Unschuld aus. In den Augen von Frauen wie ­Catherine, die den Status quo aufrechterhalten wollen, mag sie eine gefährliche Frau sein. Aber Stillman zeigt sie anders als Jane Austen, die kein Mitgefühl mit ihrer Antiheldin hat, noch in einem anderen Licht. Seine Lady Susan ist eine Heldin, die für die Rechte und die Freiheit der Frauen kämpft. Und ebenso doppeldeutig ist auch der Film selbst. Auf der einen Seite schwelgt Stillman in wundervollen Albernheiten und spielerischen Gags. So stiehlt Tom Bennett in der Rolle des dummen Landadligen allen anderen mehrmals die Show. Auf der anderen erzählt »Love & Friendship« in perfekt kadrierten Bildern, die an englische Gemälde aus dem 18. Jahrhundert erinnern, von einer in Ungerechtigkeit und Ungleichheit verharrenden Gesellschaft, die versucht, jeden Wunsch nach Freiheit im Keim zu ersticken.

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