Kritik zu L'amour du monde – Sehnsucht nach der Welt

© Mindjazz Pictures

Die Regisseurin Jenna Hasse bringt drei sehr unterschiedliche Figuren in einem Sommer am Genfer See zusammen und erzählt so von der Lust am Leben

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Der Film hält, was sein Titel verspricht. Die schweizerisch-portugiesische Regisseurin und Schauspielerin Jenna Hasse erzählt in ihrem Regiedebüt von drei Sehnsüchtigen wie Sinnsuchenden, die sich ähnlicher sind, als man zunächst vermuten würde. Die 14-jährige Margaux (Clarisse Moussa), durch deren Augen der Film auf das ruhig mäandernde Geschehen blickt, wohnt bei ihrem Papa und startet ein Praktikum in einem Kinderheim. Dort trifft sie auf das siebenjährige Heimkind Juliette (Esin Demircan), ein kleiner anarchischer Wirbelwind, für die Margaux so etwas wie eine große Schwester wird. Juliettes Mutter scheint, das deutet das angenehm offene Drehbuch von Hasse, Julien Bouissoux und Nicole Stankiewicz an, gestorben, vom Vater wird das Kind regelmäßig versetzt. Der Dritte im Bunde ist Joël (Marc Oosterhoff), auf den die beiden Mädchen bei ihren Streifzügen durch die Natur treffen. Der Fischer ist wegen des Tods der Mutter aus seiner Wahlheimat Indonesien zurückgekehrt. Es zeigt sich, was sie alle gemeinsam haben: Sie sind mutterlose Träumer. 

Der Sommer flirrt am Ufer des Genfer Sees, wo das Trio, jeder auf seine eigene Weise, nach einem Platz und einer Perspektive sucht. Die 1989 in Lissabon geborene Hasse siedelt ihren Film dort an, wo sie selbst groß wurde. Inspirieren ließ sie sich von Roman Charles-Ferdinand Ramuz' ebenfalls am Genfer See spielendem Roman »L'amour du monde«, dessen Titel sie entlehnt hat. 

Margaux gibt Juliette einen zwischenmenschlichen Halt, den sie selbst sucht. Das Verhältnis zum Papa ist angeknackst, und die Teenagerin sehnt sich mit jeder Faser an einen anderen Ort. Als ihre Freundinnen sich via Handy aus dem Italienurlaub melden, fotografiert Margaux eine Naturdokumentation im TV und schreibt: »Liebe Grüße aus dem Paradies«. In dem Hotelzimmer, in dem sie mit dem Vater lebt, hängt die Malerei eines Dschungels an der Wand. »Ich möchte mit dir nach Indonesien gehen«, sagt sie Joël, der für sie in vieldeutiger Hinsicht zu einem Fixpunkt wird.

Mit poetischem Naturalismus lässt sich »L'amour du monde – Sehnsucht nach der Welt« empathisch auf seine junge Heldin ein, ganz ähnlich, wie das etwa Carla Simón in »Fridas Sommer« und ihrem Berlinale-Gewinner »Alcarràs – Die letzte Ernte« gelungen ist. In den Bildern von Valentina Provini manifestieren sich Margaux' Wünsche und Ängste. Nach einem Kinobesuch, bei dem sie sich Georg Wilhelm Pabsts Stummfilm-Fantasiedrama »L'atlantide« angeschaut hat, tanzt sie daheim verführerisch mit dem Vorhang und beobachtet ihr Schattenspiel auf der Wand. Margaux' Imitat der im Klassiker von Brigitte Helm gespielten Herrscherin der versunkenen Stadt ist ein wunderbares Bild für ihre Sehnsüchte an der Grenze zum Erwachsenwerden. 

Dieser kleine große Film erzählt so zurückhaltend wie treffend von der Lust aufs Leben und von erinnerungswürdigen Begegnungen in sommerlicher Hitze: eine zarte Education sentimentale am Genfer See.

Meinung zum Thema

Kommentare

Toller, ganz stiller, langsamer Film.

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