Kritik zu The King – Mit Elvis durch Amerika

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Eugene Jarecki fährt in seinem Essayfilm im Rolls-Royce von Elvis dessen biografische Stationen ab und reflektiert dabei über den Zustand der USA heute, und was der Werdegang des »King« damit zu tun haben könnte

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Amerika habe sich mit Elvis radikal verändert, erklärt der kauzige James Carville, als Wahlkampfberater von Bill Clinton bekannt geworden, in Eugene Jareckis Dokumentarfilm »The King – Mit Elvis durch Amerika«. Es sei so gewesen, wie Mike Tyson einen K.O. beschreibt: Elvis hat zugeschlagen, und danach habe Amerika ganz anders geschmeckt. Jarecki kontrastiert Carvilles emphatische Elvis-Beschreibungen mit Bildern des Präsidentschaftswahlkampfs von 2016 und der weitläufigen Landschaft. Trumps falsche Versprechungen, die öden postindustriellen Landschaften des mittleren Westens: Was ist schiefgelaufen mit Amerika, fragen Stimmen im Hintergrund. Und was ist bloß aus dem amerikanischen Traum geworden?

Was als launiges, kontemplatives Roadmovie beginnt – Jarecki fährt mit Elvis Presleys Rolls-Royce durch die USA und lässt unterwegs allerlei Prominenz von Emmylou Harris über Alec Baldwin bis zu Ashton Kutcher einsteigen – wird alsbald zu einem ehrgeizigen Essay über die amerikanische Popkultur der letzten 50 Jahre. Zwar klappert Jarecki die biografischen Stationen von Elvis' Karriere ab, von den Anfängen in Tupelo, Mississippi über Memphis, Nashville, New York, Hollywood bis nach Las Vegas, aber die Aussagen derer, die er befragt, gehen weit über Ankedotisches zum »King« hinaus. Da gibt es etwa den Aktivisten und Autor Van Jones, der in scharfen Worten Elvis als »kulturellen Aneigner« verurteilt, der von den Traditionen der schwarzen Musik geklaut habe, um sie einem weißen Publikum zu verkaufen. Oder Public-Enemy-Rapper Chuck D, der erläutert, warum er in einem berühmten Song schrieb, dass Elvis ihm nichts, aber auch gar nichts bedeute. Alec Baldwin lässt sich dabei erwischen, Trump die Niederlage zu prophezeien. Und Ashton Kutcher gibt verblüffenderweise ein paar sehr einsichtige Sätze über Berühmtheit, Verdienst und Scham zum Besten.

Es gibt wunderbare Funde aus den Archiven, die hier präsentiert werden. Als Schlussbild verwendet Jarecki die ergreifenden Aufnahmen von Elvis' letztem Konzert, die ihn fett und schwitzend, aber immer noch mit dieser wunderbaren Stimme zeigen. Aber auch unter den aktuellen Aufnahmen finden sich jede Menge sehenswerter Schnipsel, wie Ethan Hawke, der über Elvis' Motive räsoniert, oder David Simon, der das kommerzielle Wesen von Las Vegas erklärt. Was im Einzelnen zur Sprache kommt, mag nicht alles zu Ende gedacht sein: Hat Elvis tatsächlich »Kulturdiebstahl« an schwarzen Musikern begangen oder sind die gegenseitigen Beeinflussungen komplexer? Hätte er nach der Rückkehr vom Militärdienst in Deutschland als Bürgerrechtler an der Seite von Martin Luther King marschieren sollen? Hat Elvis wirklich immer das Geld vor den Idealen gewählt? Ist der fette, schwitzende, tablettensüchtige Elvis tatsächlich die passende Metapher für die USA von heute? Jareckis Film regt in jedem Fall dazu an, den Diskussionsfaden aufzunehmen und weiterzuspinnen. Und wieder mehr Elvis zu hören.

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