Kritik zu Judy

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Eine Biografie der tragischen ­Showbusiness-Legende Judy Garland. Seit der Premiere in Toronto wird ihre Darstellerin Renée Zellweger hoch gehandelt als Oscar­favoritin.­ Das ist bei solchen Filmen eben so

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Judy Garland will nicht proben. Das ist nicht nötig, verkündet sie. Der Band­leader, der noch nie mit ihr gearbeitet hat, ist entgeistert. Doch er schweigt höflich, ebenso wie die besorgte Assistentin des Impresarios. Die Sängerin ist schon anderswo: Sie stellt sich die Bühne und das Publikum vor, das sie morgen Abend erobern soll.

Judy (Renée Zellweger) macht sich keine Illusionen darüber, dass dies eine riskante Wette ist: Wird sie bei Stimme sein, kann sie noch einmal die frühere Energie und Professionalität aufbringen? Dem Publikum im Kino ist zu diesem Zeitpunkt bereits klar, dass dies an ein Wunder grenzen würde. Die ersten Filmminuten haben es eingestimmt auf den freien Fall, in dem sich Garlands Karriere im Winter 1968 befindet. Doch als Judy dann die Bühne betritt, mit großer Verspätung und schlimmem Lampenfieber, stellt sich die alte Magie wieder ein. Der Auftakt ihres fünfwöchigen Engagements im Londoner »Talk of the Town« wird ein Triumph. Doch wie lange wird der Zauber halten?

»End of the Rainbow« heißt das Broadwaystück, auf dem Rupert Goolds Biopic basiert. In ihrem letzten Lebensjahr ist Judy Garland eine Ruine. Seit sie als Kinderstar bei MGM mit Schlaftabletten und Aufputschmitteln bei der Stange gehalten wurde, ist sie tablettensüchtig. Ihre Mutter, das Studio und diverse Ehemänner haben Millionen an ihr verdient, aber ihr selbst ist nichts geblieben. Ihr letzter Film liegt fünf Jahre zurück und war ein kapitaler Misserfolg. Sie hat kein Zuhause mehr, den Sorgerechtsstreit um ihre zwei jüngsten Kinder wird sie verlieren. Die Tourneen, die sie in den letzten Jahren absolvierte, nannte die britische Presse »redemption tours«: Die Legende muss sich vor ihrem Publikum und sich selbst rehabilitieren.

Zellwegers Augen sind weit aufgerissen, es flackert etwas Manisches in ihnen, als sie die erste Nummer singt, mit der Garland das Londoner Publikum in den Bann schlägt. Es ist »By Myself«, dessen Pathos von Selbstermächtigung der Film nachdrücklich dementiert. Regelmäßig blendet er zurück in die Zeit ihres frühen Starruhms – aber nicht, um vergangenen Glanz zu beschwören, sondern die Agonie, die sie seitdem heimsucht. Garland war ein Naturtalent, das nie natürlich sein durfte. Die Geburtstagstorten, die sie bei Dreharbeiten anschneiden sollte, waren Requisiten. Wenn sie mit ihrem Leinwandpartner Mickey Rooney ausging, waren das nur Fototermine. Wie gern hätte sie dabei den Hamburger verspeist, aber das Studio beharrte auf der drakonischen Diät. Von Kindesbeinen an war sie gewohnt, dass andere über ihr Leben bestimmen. Einmal darf sie in Judy ganz bei sich sein: als zwei schwule Bewunderer nach der Show für sie kochen und vom Leben erzählen, das auch ihnen gestohlen wurde.

Goold respektiert, dass seine Hauptdarstellerin über Wohl und Wehe dieses Films bestimmt: Zellweger fühlt sich ein in Garlands angespannte Energie und Verletzbarkeit, genießt deren Anflüge von Selbstironie. Wenn sie Garland ihre Stimme leiht, dann besitzt sie manchmal ein Vibrato, das direkt ins Herz zielt. Das Finale des Films könnte einen Stein erweichen.

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