Kritik zu Irrlicht

© Salzgeber

Der Portugiese João Pedro Rodrigues (»To Die Like a Man«) wollte gern mal eine Komödie drehen. Das Ergebnis ist eine Art Science-Fiction-Musicalkomödie mit viel nackter Haut und Sex

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Endlich einmal eine Komödie drehen! Diesen Traum wollte sich João Pedro Rodrigues unbedingt mal erfüllen. Doch natürlich wundert es jetzt wenig, dass der Portugiese, dessen bisherige Filme bei aller Originalität meist von Tragik und Melodrama durchzogen waren, auch mit »Irrlicht« wieder alles andere als konventionellen Durchschnitt abliefert.

Das Grundgerüst der Geschichte ist schnell erzählt. Während in der Rahmenhandlung im Jahr 2069 (die Jahreszahl ist nur der erste Hinweis an Rodrigues' Sinn für Albernheit) der alte portugiesische König Alfredo (Joel Branco) auf seinem Sterbebett liegt, spielt sein kleiner Großneffe daneben mit seinem Feuerwehrauto. Was uns direkt zurückführt ins Jahr 2011, in dem Alfredo (nun: Mauro Costa) so gar kein Interesse an Politik und seinen royalen Pflichten hat und zum Entsetzen seiner Mutter beschließt, Feuerwehrmann zu werden. Dass er dort, unter den strengen Augen der Kommandantin (Claudia Jardim, herrlich butch und komisch), wirklich aufblüht, liegt dann allerdings vor allem an seinem ausgesprochen attraktiven Ausbilder Afonso (André Cabral) und dem erotischen Knistern zwischen ihnen beiden, das sich schnell zu einem regelrechten Flächenbrand ausbreitet.

En passant werden in »Irrlicht« tatsächlich große Themen verhandelt: Rassismus und die Klimakatastrophe (inklusive Greta Thunbergs legendärer UN-Rede), der Kolonialismus und seine Folgen sowie Kunstgeschichte und der Umgang mit aus heutiger Sicht fragwürdigen Werken. Doch Rodrigues geht es nicht um komplexe Auseinandersetzungen mit diesen Sujets, sondern eher um ein reizvolles Anfüttern des Subtextes. Genauso ist auch sein Umgang mit den unterschiedlichen Filmgenres ein sehr freier. Science-Fiction, Komödie oder Musical – »Irrlicht« hat gar keine Lust, sich auf irgendetwas festzulegen, sondern hüpft flirrend mal hierhin, mal dorthin.

Der einen oder anderen Idee hätte man durchaus auch mehr Raum gegönnt. Doch in der spielerisch-leichtfüßigen Melange aus Choreographien irgendwo zwischen Ballett, Fred Astaire und Jacques Demy, einem Soundtrack, der Mozart, Kinderlieder und portugiesischen Pop vereint, und dem augenzwinkernden Umgang mit schwulen Erotikklischees entwickelt »Irrlicht« einen Charme, dem man sich nur allzu gern hingibt. Und dass diese Feuerwehrmänner allesamt besser tanzen als schauspielen, sieht man ihnen nicht nur dann gern nach, wenn sie damit beschäftigt sind, nackt Meisterwerke von Tizian oder Francis Bacon nachzustellen. Denn so amüsant, so einfallsreich und so sexy waren in diesem Jahr wenig andere Filme.

Und nicht zuletzt: so kurz. »Lange Filme ermüden mich einfach«, sagte Rodrigues in Cannes mit Blick auf die knackige Laufzeit von 67 Minuten. »Ich persönlich mag Filme, die unerwartet und überraschend sind. In denen jede Szene etwas Besonderes ist. Deswegen wollte ich einen drehen, der kurz, aber explosiv, befriedigend und hoffentlich unvergesslich ist. Wie ein Orgasmus!«

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