Kritik zu Ice Age 3

© 20th Century Fox

2009
Original-Titel: 
Ice Age: Dawn of the Dinosaurs
Filmstart in Deutschland: 
01.07.2009
L: 
96 Min
FSK: 
keine Beschränkung

Dafür, dass sie ihre Midlife-Crisis in der Eiszeit durchleben, haben sie sich ganz schön gut gehalten: In »Ice Age 3 – Die Dinosaurier sind los« lernen die bewährten Helden, sich selbst zu mythologisieren

Bewertung: 4
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Wimpern. Und was für welche! In ihnen zeigt sich die Meisterschaft der digitalen Animation. Sie sind sozusagen die schwingende Latte, an denen sich die vormals konkurrierenden Studios von Pixar bis Disney messen können. Schließlich begann nicht zufällig die Geschichte des computergenerierten Zeichentrickfilms mit Plots, in denen es auf eine Zeichnung von Haut und Haaren nicht so sehr ankam. Geschichten von kubisch wirkendem Kinderspielzeug (»Toy Story«) oder am liebsten von Insekten (»Antz«, »A Bug's Life«) machten den Anfang. Denn glänzende Chitin-Panzer, Beinchen und Flügel waren kein Problem für die neue Technik. Aber der feine Strich der Haare, das Stumpfe ihrer komplizierten Oberfläche, die Textur, wenn sie sich bewegen oder äußere Kräfte auf sie einwirken. Das war die Herausforderung.

Und jetzt schauen wir in diese Augen dieser hinreißenden Säbelzahnflughörnchenlady namens Scratte, die Scrat, dem legendären Säbelzahneichhörnchen, die Eichel in einem unaufhörlichen Geschlechtertango streitig macht. Und sie schauen zurück. Unterbrochen von einem aufreizenden Schlag dichter Wimpern, die in ihrer Seidigkeit an die Straußenfederfächer von Revuegirls erinnern. Wer das auch noch in 3-D zu sehen bekommt, der glaubt wahrscheinlich, niesen zu müssen angesichts all der feinen Haarspitzen vor der eigenen Nase.

Doch die Sensationen von »Ice Age 3 – Die Dinosaurier sind los« erschöpfen sich erfreulicherweise nicht mit solchen Effekten. Es ist vielmehr erstaunlich, welche neuen Wendungen das Drehbuchteam seiner Grundgeschichte immer wieder abzutrotzen versteht und mit welcher erzählerischen Leichtigkeit und Souveränität es für jede neue Kulisse weitere Nebendarsteller einführt.

In »Ice Age 3« ist das bewährte Dreiergespann, bestehend aus Manni, dem Mammut, Sid, dem Faultier, und Diego, dem Säbelzahntiger, im Alltag angekommen. Ellie, Mannis Freundin, erwartet nach jahrelanger Schwangerschaft den ersten Nachwuchs. Zusammen mit den anderen gerät sie in einen unbekannten, unter dem Eis verborgen liegenden Urwald, in dem ganz andere Gesetze herrschen als in der vertrauten Kälte. Hier geht es nicht um die Anpassung an Minusgrade und Nahrungsknappheit. Hier geht es um ein ständiges Auf-der-Hut-Sein in einem unübersichtlichen Geäst voller gefährlicher Mimikry-Techniken und Überraschungsangriffe. Wer es an Größe und Geschwindigkeit nicht mit einem Tyrannosaurus Rex aufnehmen kann, muss sich neue Überlebensstrategien zurechtlegen. Am besten auch ein paar neue Freunde.

»Ice Age 3« strotzt vor quietschbunter Fabulierlust, die buchstäblich auf die Akteure übergeht. Wenn sie am Lagerfeuer wie Buck, das einäugige Wiesel und Neuzugang im »Ice Age«-Kosmos, ins Erzählen kommen, übernehmen sie die eigene Mythologisierung und werden mit ihrem illusionistischen Talent selbst zum Kino. Von Kämpfen mit rotäugigen Ungeheuern ist da die Rede, von den wechselseitigen Opfern und Verlusten, die diese Schlacht immer wieder aufs Neue entzünden. Wie Kapitän Ahab dem Wal hat sich Buck seiner Jagd nach einem weißen T-Rex verschrieben. Ein Auge hat er an ihn verloren, das Ungetüm seinerseits einen Zahn, den Buck zum Messer umfunktioniert hat. Das Wiesel mit der Augenklappe muss seiner Besessenheit folgen. Auch wenn sie ihn immer einsamer und wunderlicher macht . . .

In »Ice Age 3« wartet hinter jeder Liane und jeder fleischfressenden Pflanze ein liebevolles Zitat aus der Welt alter Abenteuer- und Fantasyfilme. Buck bewegt sich im hohen Blätterwerk so elegant wie »Der rote Korsar« in der Takelage. Mantel- und Degen-Filme, »Indiana Jones«, Monster-Movies, alles geht kreuz und quer und schmiegt sich doch wunderbar um den Kern der »Ice Age«-Filme, die »Buddy«-Geschichte um Sid, Manni und Diego, deren Freundschaft durch wandelnde Zeiten auf immer neue Proben gestellt wird.

Der Urwald unter der vertrauten Eisfläche ist folglich keine »terra incognita«, sondern steht gleichsam fürs Älterwerden. Es sind die Sicherheitsstandards, nach denen Manni seinen Kinderspielplatz angelegt hat, die ansteckende Gemächlichkeit und der Rückzug ins Private, die allen Angst machen. Der grundneurotische Sid entwickelt eine Scheinvaterschaft und nimmt drei gefundene Dinosauriereier in seine Obhut, denen er Gesichter aufmalt wie Tom Hanks dem Volleyball in »Cast away«. Und während seine Kumpel zumindest vordergründig in ihrer Familienplanung aufgehen, heißt Diegos Diagnose Burnout. Er will davonziehen, nicht versauern, neue Jagdgründe auftun. Man kennt das ja.

Vielleicht werden sich Diego, Sid und Manni im vierten Teil ja mit Steuererklärungen und aufsässigen Kindern herumschlagen müssen. »Ice Age 3« sorgt jedenfalls auf wunderbare Weise dafür, dass den dreien genügend Genrevorbilder für das Bewältigen ihrer jeweiligen Lebensabschnittskrisen zur Verfügung stehen.

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