Kritik zu Hugo Cabret

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Scorsese mal ganz anders: Seine Verfilmung des Kinderbuchs von Brian Selznick erzählt in opulenten 3-D-Bildern von einem Waisenjungen und den Anfängen des Films

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Hugo Cabret ist eine Liebeserklärung, eine zweistündige Feier des Kinos und der Magie, der Träume und der Schaulust. Eine Liebeserklärung auch an ein Paris, das wie alles in diesem Film mehr jenen Träumen entspringt als der Wirklichkeit. Und wie das mit Liebeserklärungen eben so ist: Sie verlangen, sich ganz auf ihr Gefühl einzulassen.

Es ist zugleich verwunderlich und folgerichtig, dass Martin Scorsese einen solch träumerischen Film gedreht hat. Verwunderlich, weil er fast allem, was er bisher gemacht hat, seinen gewalttätigen Gangsterepen und Forschungsreisen in die Abgründe von Schuld und Verlassenheit diametral entgegengesetzt ist. Folgerichtig, weil er die Leidenschaft für das Kino – und das Engagement für die Erhaltung des Filmerbes – hier ins Zentrum eines Films rückt. Hugo Cabret ist nicht nur eine Liebeserklärung, er ist auch ein Plädoyer.

Prächtig breitet sich das Paris der 30er Jahre vor uns aus, während die Kamera darübergleitet, ein Lichtermeer, in das wir hineintauchen, mitten in das geschäftige Treiben im riesigen Bahnhof Montparnasse, wo der 12-jährige Waisenjunge Hugo lebt. Dort kümmert er sich um die Bahnhofsuhren, schläft auf einem Dachboden und lebt von dem, was er klaut. Sein Vater, ein Uhrmacher, hat ihm einen geheimnisvollen Automaten hinterlassen, eine Art frühen Roboter mit einem hochkomplizierten Innenleben. Hugo glaubt, dass dieser Automat eine Botschaft seines Vaters birgt, und will den kaputten Maschinenmann zum Laufen bringen. Immer wieder rückt die umherstreifende 3-D-Kamera all die Zahnräder, Federn und Pendel des Automaten´und all der Uhren und Aufziehspielzeuge ins Bild, der fernen Verwandten der Filmkameras, die erst später ins Spiel kommen. Denn die scheinbar leblosen Mechanismen sind die Werkzeuge der Illusion, die Räderwerke der Träume.

Erst die Begegnung mit Isabelle, die ebenfalls Waise ist, bringt Hugo der Enthüllung des Geheimnisses näher: Isabelle besitzt einen herzförmigen Schlüssel, der in den Automaten passt und ihn zum Leben erweckt, wodurch sich eine ungeahnte Verbindung zu ihrem Onkel offenbart, einem griesgrämigen Spielzeughändler (schillernd: Ben Kingsley). Was allerdings fast wie der Ausgangspunkt eines Mystery-Spektakels à la Harry Potter klingt, nimmt in Hugo Cabret eine ganz andere Wendung. Der Film bleibt in seinem ruhigen konzentrierten Erzählfluss, gibt einzelnen Szenen viel Zeit und mündet auch nicht in actionreiche Konfrontationen zwischen Gut und Böse. Das Finale von Hugo Cabret zelebriert prächtig, doch ohne viel Brimborium, die Wiederentdeckung des Illusionisten und Filmpioniers Georges Méliès. In einer weit ausholenden Umarmung feiert es auch das Kino als Ganzes und jene Pioniere, die so oft zu den realistischen Gegenspielern von Méliès stilisiert wurden, die Brüder Lumière, deren Ankunft eines Zuges in verschiedenen Variationen über die Leinwand, durch den Gare Montparnasse und Hugos Träume rauscht.

Für manche Geschmäcker mag die Harmonie, die Scorsese in diesem Werk ausspielt, zu naiv ausfallen. Dennoch ist sein Hugo Cabret differenziert und lässt insbesondere den von Asa Butterfield und Chloë Grace Moretz gespielten Kindern viel Raum, zu individuellen Charakteren zu werden. So sehr der Film zum Schwelgen einlädt, so wenig will er seine Zuschauer mit seinem schönen Schein für dumm verkaufen. Dass es hier um eine Illusionsmaschinerie geht und Hugo Cabret ein Produkt ebendieser Maschine ist, daran wird man immer wieder erinnert. Künstlich ist die Geschichte, auch wenn sie an Historisches anknüpft, und künstlich ist diese Welt und dieses Paris, das in seiner sanft glühenden Farbigkeit an jenes von Amélie erinnert.

Künstlich sind im Gegensatz zu Scorseses früheren großen Plansequenzen auch die Kamerafahrten durch den Bahnhofskosmos, also eher Pixel denn Steadycam – und das kann man durchaus schade finden. Doch nur wenige 3-D-Filme haben eine so präsente Räumlichkeit erzeugt, etwa mit beiläufig durchs Bild ziehendem Dampf und ständig präsenten Staubpartikeln in der Luft. Ein durchaus berührendes Paradox: Mit einem Großaufgebot der avanciertesten technischen Mittel verneigt sich dieser Film ganz tief und bescheiden vor den ersten Schritten seiner Zunft.

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