Kritik zu Draußen

© Real Fiction Filmverleih

Die Filmhochschulabsolventinnen Tama Tobias-Macht und Johanna Sunder-Plassmann porträtieren mit viel Sensibilität, Stil und Respekt vier obdachlose Männer auf Kölner Straßen

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Wahrscheinlich hat jeder schon einmal darüber nachgedacht, welche Dinge Obdachlose in ihren vielen Plastiktüten und Einkaufswagen wohl mit sich herumtragen. Dem Klischee nach wären es schmutzige Wäsche oder der Schnaps für die nächste Bettelschicht. Bei den Betroffenen nachgefragt haben wohl die wenigsten. Das aber tun die beiden jungen Filmemacherinnen Tama Tobias-Macht und Johanna Sunder-Plassmann in ihrem Film. Dafür haben sie ein ganzes Jahr lang in der Kölner Obdachlosenszene recherchiert und sich langsam mit den dort lebenden Menschen und ihrer Situation vertraut gemacht.

Vier Männer, denen sie dabei besonders nahekommen konnten, prägen nun den Film und breiten das Inventar ihrer Taschen und ihres Lebens vor uns und der Kamera aus. Gefiltert wird dies allerdings durch die beiden Filmemacherinnen, die die Objekte in einer Installation als poetisch-künstlerische Intervention im privat-öffentlichen Raum an ihrem Schlafplatz aufbauen und filmen. Dazu kommen die ausführlichen Geschichten aus ihrem Leben, die die Männer an diesen Objekten entlang an jenem Ort erzählen.

Da ist Elvis, mit prächtiger weißer Haarpracht unter dem Cowboyhut, der seinen Schlafplatz unter einer Kölner Autobahnbrücke penibel in Ordnung hält und neben 64 Elvis-CDs auch andere Devotionalien seines Idols und des 1. FC Köln in Ehren hält. Ein kleines Püppchen, das er seit Jahrzehnten mit sich herumträgt, erinnert an seine verstorbene große Jugendliebe.

Peter wandert durch Deutschland von Wald zu Wäldchen und hat in seinem Rucksack neben Hängematte und Espressokanne auch eine Sammlung an Überraschungseiern und Survival-Büchlein. Dazu noch Pfeil und Bogen, ein selbst gezeichnetes Poster und ein gewissenhaft geführtes illustriertes Tagebuch über die jeweiligen Aufenthaltsorte seines Lebens auf der Straße.

Der Ex-Punk und Straßenmaler Matze trägt eine Sammlung von Fotos aus der Zeit in der Tasche, als er als Prinz im Kölner Karneval reüssierte. Nur sein aus Russland stammender Straßenkumpel Sergio scheint gar keine materiellen Schätze zu besitzen außer seinem Drogen-Spritzbesteck. So zeichnet Matze ihm mit seiner Malkreide das Schaukelpferd aus einer Kindheitserinnerung auf Pappe.

Gemeinsam ist den vier ein Hang zum Nikotin und eine schwierige, von Trennungen, fehlender Liebe und Gewalt gezeichnete Kindheit. Später dann Jugendjahre mit materiellem Mangel und Kriminalität, von der die Männer erstaunlich bereitwillig und detailreich erzählen. Nicht nur deswegen forderte es sicherlich Mut von allen Seiten, sich auf diese gemeinsame Arbeit einzulassen, auch wenn die beiden Absolventinnen der Kölner Hochschule für Medien in einem Regie-Statement betonen, wie freundlich sie von den Männern aufgenommen wurden. Visuell werden die Szenen mit ihren oft schwierigen verdunkelten Lichtverhältnissen von der erfahrenen Kamerafrau Sophie Maintigneux überzeugend in Szene gesetzt. Ebenso überzeugend – und mutig – auch der Verzicht auf Filmmusik, sodass neben den Stimmen der Männer der Originalton des neben ihren Unterkünften laufenden Straßenverkehrs den Begleit-Sound bildet.

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