Kritik zu Die Maske

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Ein riesiger Jesus und ein kleiner Mann, der im buchstäblichen Sinn sein Gesicht verliert: Małgorzata Szumowskas bei der Berlinale 2018 ausgezeichneter Film ist eine Parabel auf das moderne Polen

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Wieder ein geschundener Körper! Nachdem die polnische Regisseurin Małgorzata Szumowska in »Body« von Trauerarbeit erzählte, die ein Vater fressend und saufend leistete und seine Tochter hungernd, ist auch in »Die Maske« der Körper Dreh- und Angelpunkt. Genauer gesagt: das ramponierte Gesicht von Jacek (Mateusz Kościukiewicz). Der Heavy-Metal-Fan fällt auf der Großbaustelle von einem Gerüst mitten hinein in den Sockel der gigantischen Jesusstatue, die in der Nähe seines Heimatortes gebaut wird. Im Krankenhaus wacht er auf mit einem neuen Gesicht, nach der ersten Gesichtstransplantation des Landes überhaupt.

Mit dem bei der Berlinale 2018 mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichneten Film lässt die Regisseurin ein seltsames filmisches Unikum auf die Welt los. »Die Maske« bewegt sich auf schwer zu fassendem Terrain irgendwo zwischen böser Satire mit staubtrockenem Humor und bitter ernstem Realismus.

Jaceks kaputtes Gesicht und seine neue »Maske« werden zur Projektionsfläche für die kaputten Zustände in der polnischen Gesellschaft, denen die Regisseurin an den Kragen will. In einem regelrechten Rundumschlag schießt ihr Film gegen vieles, vor allem aber gegen sensationsgeile Medien, katholische Bigotterie und die hemmungslose Konsumgesellschaft. Da kämpft sich gleich zu Beginn eine halbnackte Menschenhorde in Zeitlupe schwabbelnd in einen Supermarkt, um die »Weihnachtsschnäppchen für Nackedeis« zu ergattern, die Medien inszenieren Jacek nach der OP als Nationalhelden, und der Dorfpastor interessiert sich während der Beichte besonders für schlüpfrige Details. »Berührst du sein Glied?«, fragt er Dagmara (Małgorzata Gorol), Jaceks Verlobte, die ihn nach dem Unfall verlassen hat.

Auf seine sperrige Art ist »Die Maske« im Kern ein Lehrstück. Oder genauer: die zynische Abrechnung mit einer Welt, die sich hinter einer falschen Moral versteckt und in der Dinge wie Empathie nur noch Schattengewächse sind. Das Vehikel für besagte Abrechnung ist der arme Jacek. Der wird vom Großteil seiner Familie verachtet und für das spießige Dorf, dessen Kinder ihn zuvor schon »Satanist« riefen, mehr denn je zum exotischen Außenseiter.

Szumowska kratzt an den glänzenden Oberflächen menschlichen Zusammenlebens, nur wenige kommen gut weg. Auch in den Bildern von Kameramann Michał Englert, der am Drehbuch mitgeschrieben hat, liegen das Schöne und das Hässliche nahe beieinander. Über den gesamten Film sind immer wieder nur Ausschnitte der Einstellungen scharf zu sehen, während der Rest in grobkörniger Unschärfe versinkt.

Gegen Ende dann ragt die fertiggestellte, 36 Meter hohe Jesusstatue über der weiten Ebene. Dass es diesen sogar seinen berühmten Bruder in Rio de Janeiro überragenden Koloss tatsächlich gibt, bringt Szumowskas kruden Film allerdings nicht wirklich näher an die Realität. Dafür ist »Die Maske« zu sehr Allegorie und steht ebenso distanziert über den Dingen wie das Antlitz des »Erlösers«.

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