Kritik zu Der letzte Angestellte

© Zorro

Arbeitswelt und Totenreich: In Alexander Adolphs minimalistischem Horrorfilm wird eine neue Anstellung zum Alptraum

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Endlich ein Job! Der Jurist David Böttcher ist froh, nach längerer Arbeitslosigkeit eine neue Anstellung gefunden zu haben und für Frau und Sohn nicht länger nur liebender Vater, sondern wieder Versorger zu sein. Allerdings ist es nicht unbedingt eine traumhafte Aufgabe, als »Liquidator« in Firmen einzufallen, Angestellte zu entlassen und die Insolvenzmasse abzuwickeln. George Clooneys sehr ähnliche Tätigkeit in Up in the Air sah wesentlich mondäner aus. David aber bemüht sich, die Aufgabe wenigstens so menschlich wie möglich zu erfüllen.

Schon beim ersten Einsatz läuft das furchtbar schief: Eine der Entlassenen, Frau Blochs, bricht zusammen. David fährt sie nach Hause, doch sie steigert sich in Wut und Verzweiflung hinein, terrorisiert ihn mit Anrufen, verfolgt ihn, lässt nicht locker. Tage später ist sie tot, Selbstmord. Von nun an gerät Davids Leben völlig aus den Fugen. Und der Film, der wie ein Drama begonnen hat, wird zum Horrorfilm. Seltsame Dinge geschehen, der Geist von Frau Blochs scheint David zu verfolgen. Dabei bleibt in der Schwebe, was real ist und was der verängstigte Mann sich einbildet, denn wie wir zunächst nur in Andeutungen erfahren, hat er bereits eine schwere psychische Krise hinter sich – eine Vorbelastung, die im Verhältnis zu seiner Frau Irina und vor allem zu der stets vorwurfsvollen Schwiegermutter eine nicht unerhebliche Rolle spielt.

Regisseur Alexander Adolph, der mit dem Dokumentarfilm Die Hochstapler und dann mit der schönen Spielfilmvariation des gleichen Themas So glücklich war ich noch nie überzeugte, zeigt in Der letzte Angestellte ein gutes Händchen fürs Genre. Seine minimalistisch erzählte, auf wenige Schauplätze und Personen konzentrierte Geistergeschichte läuft mit der Präzision eines Uhrwerks ab, beginnend mit alltäglichen, ins Monströse wachsenden Irritationen, flackernden Neonlampen und Störgeräuschen im Radio, wenn David im verwaisten Großraumbüro sitzt; gesteigert durch Konflikte in der Familie, in der immer die Einsamkeit Davids spürbar ist, und durch immer heftiger werdende Auftritte der fahlen Wiedergängerin Frau Blochs, bis Wahn und Wirklichkeit ununterscheidbar verschwimmen und sich der Alptraum zu blutigen Exzessen auswuchert.

Einige Volten des Drehbuchs sind vorhersehbar, doch insgesamt entwickelt Adolph seine Geschichte höchst stringent und spannend. Was sie besonders packend macht, ist ihre überzeugende soziale Grundierung in der Unheimlichkeit der Arbeitswelt. Anonymität, Erwartungsdruck, Versagensangst und moralische Abgründe werden hier in eine große, böse Metapher gefasst und in vielen Details gespiegelt, bei wohltuendem Verzicht auf psychologische Erklärungsorgien. Auch stilistisch ist das trefflich umgesetzt: in den grafisch reduzierten und klirrend kalten Bildern von Kamerafrau Jutta Pohlmann, in kargen Dekors und mit präziser Montage. Ganz hervorragend schließlich Christian Berkel. Sein zunächst sorgenvolles, dann immer gehetzter und panischer werdendes Spiel sorgt dafür, dass trotz aller Horroreffekte die tieftragische Dimension seiner Figur stets nachvollziehbar bleibt.

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