Kritik zu Das Geständnis

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Mord und Totschlag, Ideologie und Charakter und dazu der Atem der Geschichte: Die dritte Spielfilmregie des Schauspielers Bernd Michael Lade verbindet Kammerspiel und politischen Polizeithriller mit DDR-Historie

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Und zwischendurch immer diese blöden Parteigruppenversammlungen! Sie halten den Betrieb auf und von der Arbeit ab. Sie bringen ideologische Differenzen ans Licht, lassen Konflikte unter Kollegen eskalieren und führen zu ernsten Gesprächen, zu Eingaben und Abmahnungen, zu Schlimmerem. Dann klingelt mal wieder das Telefon und ein Verbrechen wird gemeldet. Obwohl es Mord und Totschlag im Arbeiter- und Bauernstaat doch eigentlich nicht geben sollte. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Von der Wand herunter, aus dem obligatorischen Porträt heraus, blickt missbilligend Erich Honecker; er lässt die Polizeibeamten, so scheint's, nicht aus den Augen. Beziehungsweise nimmt die Kamera ihn unermüdlich immer wieder in den Blick, ankert am Porträt doch der ideologische Rahmen des Films.

Nach eigenem Drehbuch, beruhend auf den Aufzeichnungen des DDR-Kriminalisten »C. Curd«, hat Bernd Michael Lade – gebürtiger Ostberliner Punk und von 1992 bis 2007 an der Seite von Hauptkommissar Ehrlicher im Dresdener und Leipziger »Tatort« ermittelnd – »Das Geständnis« inszeniert und in zwei Wochen Drehzeit auf der Probebühne des Berliner Maxim-Gorki-Theaters gefilmt.

Ort und Zeit: Die Morduntersuchungskommission im Polizeipräsidium am Alexanderplatz in Ostberlin, ab Juni 1988. Der Schauplatz ist auf Büro und Verhörraum beschränkt und wird nicht verlassen; die Handlung schreitet in Episoden voran, Zeit vergeht, Geschichte wird gemacht. Zu Beginn des Films hat der Prozess der Auflösung, der die DDR mit sich reißen wird (in Form der vom Bruderland ausgegebenen Parolen »Glasnost« und »Perestroika«), zwar bereits begonnen, wird von den Beamten vor Ort aber hartnäckig ignoriert, noch.

Dass da etwas aus den Fugen gerät, vermittelt Lade dennoch: Zwar deutet die gelbbräunliche Farbgebung historische Patina an, die dramatische Lichtsetzung aber suggeriert Brisanz; Lade stellt die Blickachsen schräg und rüttelt am Gleichgewicht; die permanente Bewegung der Figuren im Raum doppelt er mit der permanenten Bewegung der Kamera; und dann wird, während man einander umkreist und belauert, um schließlich aufeinander loszugehen, auch noch ununterbrochen geredet. Diese Weise der Inszenierung erzeugt Unruhe und bringt Dynamik in ein Setting, das von seiner Anlage her eher statisch und staubtrocken wirkt und in seiner Kombination mit Sterbenslangeweile droht. Stattdessen aber ist »Das Geständnis« zugleich sehenswertes Kammerspiel und spannender Polit-Polizeithriller. Lades ebenso kluge wie mutige visuelle Strategie wird von einer voll engagiert aufspielenden Besetzung mit Leben gefüllt. Unter anderem Thomas Schuch, Ralf Lindermann, Martin Neuhaus, Jörg Simmat sowie Lade selbst sorgen in den Rollen der ermittelnden Kriminaler dafür, dass aus Stellvertretern ideologischer Positionen Charakterporträts von DDR-Bürgern werden.

»Das Geständnis« endet im März 1990 mit dem Einstand eines Polizeibeamten aus dem Westen, der den Laden übernimmt und statt mit Wodka mit einer Flasche Whisky seinen Einstand feiert. Na dann prost beziehungsweise: nasdrowje!
 

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