Kritik zu Country Strong

© Sony Pictures

2010
Original-Titel: 
Country Strong
Filmstart in Deutschland: 
09.06.2011
L: 
117 Min
FSK: 
12

Gwyneth Paltrow versucht sich im musikalischen Beziehungsdrama von Shane Feste als alkoholkranke Countrysängerin und weibliches »Crazy Heart«

Bewertung: 3
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Die ätherische Gwyneth Paltrow ist keine naheliegende Wahl für die Rolle einer abgestürzten Countrysängerin. Jeff Bridges kaufte man seine alkoholisierte »Crazy Heart«-Nummer ab. Auch Gérard Depardieu in »Chanson d'amour« ging als krisengeprüfter Sänger durch. Doch Paltrow wirkt eher der urbanen Sushi- und Yoga-Fraktion zugehörig als leutseligen Wuchtbrummen à la Dolly Parton. Das sind Vorurteile, gewiss – Countrymusic ist trotz der Rezeption des Popliteraten Thomas Meinecke hierzulande ein relativ unbekanntes Terrain und steht unter Spießerverdacht. Doch wie man es dreht und wendet: im handfesten Umfeld texanischer Fans erscheint Paltrow als Countrystar Kelly Canter dreist gegen den Strich besetzt. Beginnt sie indes zu singen, erblüht ein Charisma, das Lästerer verstummen macht. Dass sie es kann, bewies sie bereits in einer Episode der Serie »Glee«.

Als labiler Star steht sie im Zentrum eines Beziehungsvierecks, das sich zwischen Tourbus, Bühne, Backstage-Garderobe und Hotelzimmer in einem »Tür auf, Tür zu«-Kammerspiel entfaltet. Kelly hat in der Entziehungsklinik eine Affäre mit dem Pfleger und aspirierenden Countrysänger Beau Hutton begonnen. Kellys Manager und Ehemann James drückt beide Augen zu und engagiert Hutton zusammen mit James' Neuentdeckung Chiles Stanton als Vorgruppe für Kellys Comebacktournee. Beau soll Kelly, die ein Jahr zuvor bei einem alkoholisierten Sturz von der Bühne eine Fehlgeburt erlitten hat, stabilisieren. Während Kelly sich von einem Rückfall zum nächsten hangelt, kommen sich die vom Lampenfieber blockierte Chiles und Beau näher.

Das Beziehungsdrama gibt sich so straight, tief empfunden und ironiefrei wie die Countrysongs über Herzschmerz, Heimat und Selbstbehauptung. Kommerz, Kunst und Leben sind hier keine Gegensätze; Kellys Versuche, vor ihren ängstlichen Fans auf der Bühne die Fassung zu behalten, erzeugen Gänsehaut. In der Konzentration auf die verletzliche Diva wird jedoch alles Praktisch-Berechnende des Zwischenmenschlichen angestrengt ignoriert. Groupie Beau – Garrett Hedlund aus »Tron: Legacy« – verrät als Bewunderer, Lover und Beschützer kein eigennütziges Motiv. Desgleichen Leighton Meester als Schönheitskönigin Chiles, ein geschminktes Püppchen, das auch im Laufe seines Aufstiegs die Aureole eines armen Hascherls beibehält: zu lieb, um wahr zu sein. Nur Tim McGraw als Kellys leidgeprüfter Gatte ist ein echter Countrystar, darf aber erst im Abspann singen.

So inszeniert Shane Feste in ihrem zweiten Spielfilm ein geschmackvolles Camp-Drama, in dem viel und auf hohem Niveau gesungen und geweint wird. Mit dem romantisch-reaktionären Ende, bei dem auch Douglas Sirk ins parfümierte Taschentuch geschluchzt hätte, geht die Regisseurin dem Kitsch in die Falle: gilt das Rocker-Leben bei Sängern wie Johnny Cash als notwendige Etappe, um dem Gesang »Seele« zu verleihen, werden weibliche Stars vom Schicksal oder von sich selbst für ihr crazy heart bestraft. So erweist sich Paltrow mit ihrer Anmut eines sterbenden Schwans schließlich doch als passende Besetzung.

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