Kritik zu Blind & Hässlich

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Deutsche Komödie geht auch anders: Tom Lass, ein Vertreter der Mumblecore-Fraktion, hat eine sympathische RomCom gedreht, die witzig ist und erfrischend eigenwillig. Wie das Paar, das im Zentrum steht

Bewertung: 4
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5 (Stimmen: 1)

Irgendwie ist in diesem Film immer alles in Bewegung. Man hat das Gefühl, die beiden Hauptfiguren laufen förmlich aufeinander zu. Ferdi streunt durch den Wald, isst mal einen Regenwurm, ein Soziopath, der mit Nähe nichts anfangen kann und doch eine Bäuerin fragt, ob sie seine Freundin werden will. Und weil er dabei erwischt wird, kommt er wieder in eine beaufsichtigte Wohngemeinschaft. Jona (Naomi Achternbusch, die Entdeckung dieses Films) ist ihrer Mutter entwischt, hat das Abitur geschmissen und versucht, in Berlin ein WG-Zimmer zu ergattern. Und weil das nicht so einfach ist (»Wir wollen keine Zweck-WG«) kommt sie bei ihrer blinden Cousine unter, in einer Wohnanlage für Blinde, nachdem sie dem Hausverwalter etwas vorgespielt hat.

Ferdi trifft sie auf einer Brücke, von wo er gerade hinunterspringen will. Tom Lass, der den Ferdi selbst spielt, hat eines der faszinierendsten Liebespaare des deutschen Films der letzten Jahre ersonnen. Einen jungen Mann, der sich selbst hasst – schließlich ist er ja sogar neben die Babyklappe gelegt worden. Und dessen Vertrauen Jona gegenüber darauf baut, dass sie ihn nicht sehen kann. Weil er ja so hässlich ist. Und Jona führt eine provisorische Existenz, die gewissermaßen auf einer Lüge fußt. Wir wissen, dass das auf Dauer nicht gutgehen kann. Und sind gespannt, wie Jona aus dieser Nummer herauskommt.   

Tom Lass ist einer der Protagonisten der deutschen Mumblecore-Bewegung – auch wenn er diesen Film mit einer respektablen Summe aus dem Topf des Kleinen Fernsehspiels des ZDF gedreht hat. Er stand bisher immer ein bisschen im Schatten seines ­Bruders Jakob, dessen »Love Steaks« (2013) Mumblecore mit Vehemenz auf die cineastische Landkarte brachte. Nach »Blind & Hässlich«, so ist zu hoffen, nicht mehr. Denn so viel Humor hat man selten, außer vielleicht bei Axel Ranisch, in einem weitgehend improvisierten Film gesehen. Und Axel Ranisch spielt natürlich auch mit, einen freundlichen Polizisten, der zusammen mit seiner Kollegin (Karin Hanczewski aus »Lotte«) Jona im Auto ihrer Mutter stoppt. Und als die beiden Polizisten Jona in ihrer Wohnung besuchen, machen sie schon mal das Bier mit ihrer Pistole auf. Einen schönen Auftritt haben auch Jakob Lass und Lana Cooper (»Love Steaks«) als Besitzer eines Blindenhundeheims. Oder Robert Gwisdek als Augenarzt, bei dem Jona wieder sehend werden will. Zur regelrechten Hochkomik geraten aber Ferdis Sitzungen mit seiner Therapeutin (Eva Löbau), die in ein psychologisches Dada entgleiten.

So richtig romantisch wird es bei diesem verschrobenen Liebespaar aber eigentlich nie. Dafür sorgt schon der Schnitt, der ziemlich rau auch in die Dialoge eingreift, die jeder andere Regisseur wahrscheinlich ausgespielt hätte. Das sorgt immer wieder für so etwas wie einen Identifikationsbruch. Aber vielleicht wollte Lass auch nur Überflüssiges überspringen, damit alles in Bewegung bleibt.

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