Kritik zu Birnenkuchen mit Lavendel

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Die sinnlichen Reize der Provence: Eine trauernde Lavendelbäuerin und ein ­charmanter Autist profitieren in Éric Besnards Komödie beidseitig von ihrer unromantischen, aber doch märchenhaften Begegnung

Bewertung: 3
Leserbewertung
4
4 (Stimmen: 2)

Wie ein Himmelskörper landet Pierre (Benjamin Lavernhe) im Leben der gerade verwitweten Birnen- und Lavendelbäuerin Louise (Virginie Efira) und ihrer beiden Kinder. Ein Mann im Jetzt und Hier, ohne Vergangenheit und Zukunft, vom Himmel gefallen wie ein Außerirdischer. Oder auch wie einer der eher unkonventionellen Schutzengel des Kinos. Auf dem Nachhauseweg knallt er ihr unvermittelt vor die Motorhaube und rennt erst mal verstört ins nächste Feld. Er wirkt verwirrt und seltsam aus der Zeit gefallen, und weil er sich erschrocken gegen Polizei oder Krankenhaus auflehnt und sie ihn nicht einfach so stehenlassen will, nimmt sie ihn kurzerhand mit zu sich nach Hause, ins nahe gelegene provenzalische Landhaus. So nimmt eine romantische Komödie ihren Lauf, die gegen den Strich gebürstet ist, weil Liebe im klassischen Sinn für beide nahezu ausgeschlossen ist. Für Louise, weil sie um ­ihren gerade verstorbenen Mann trauert, und für Pierre, weil ihm als Autisten Gefühle und Berührungen fremd sind. Und doch leitet er im festgefahrenen Leben von Louise einen Wandel ein.

Neben der Trauer ringt sie mit existenziellen Problemen, das Lebenswerk ihres Mannes ist in Gefahr, der Marktstand wirft nicht genug ab, um sie und ihre Kinder zu ernähren, die Bank will den Kredit kündigen, und die anderen Bauern begegnen der Ortsfremden mit Feindseligkeit. Auf den ersten Blick wirkt der merkwürdige Besucher in dieser ohnehin angespannten Situation wie eine weitere Belastung, doch bald sorgt seine eigenwillige Sicht der Dinge für amüsante Brüche und märchenhafte Veränderungen, wenn er das Durcheinander in Louises Wohnküche über Nacht einem farblichen Ordnungssystem unterwirft, bunte Klebepunkte als Schutzwall gegen eine beunruhigende Welt einsetzt oder die vom Frost bedrohten Birnbäume mit einem Meer von Heizflammen rettet. Er kennt weder Takt noch Taktik, weshalb er mit unverblümten Feststellungen wie »Du bist sicher schön, wenn du nackt bist« aufwartet. Das kann sehr anstrengend sein, bisweilen verletzend und zugleich auf charmante Weise komisch. Hat man sich erst mal daran gewöhnt, dann ist seine entwaffnend ehrliche Direktheit vor allem erholsam. Sein Anderssein erweist sich nicht als Handicap, sondern als Chance, denn mit seiner eigenwilligen Sicht auf die Welt öffnet er auch Louises von Trauer abgestumpfte Wahrnehmung, macht sie empfänglich für die sinnliche Schönheit der Provence, für Wolkenformationen, Blütengestöber und Farbenmeere.

Dass Regisseur und Autor Éric Besnard ein bisschen sorglos mit den Jahreszeiten umgeht und Baumblüte, Erntezeit und Frostperiode, gelbe Sonnenblumen, lila Lavendel und weiße Birnenblüten wild durcheinanderwirbelt, kann man mit der Märchenhaftigkeit dieser Schutzengelgeschichte entschuldigen. Und wenn Louise gegen Ende gezwungen ist, einen großen Teil der alten Obstbäume mit einem Bagger brachial zu entwurzeln, dann ist der Film en passant auch ein Plädoyer für den achtsamen Umgang mit der Natur und für natürliche Anbaumethoden.

Meinung zum Thema

Kommentare

Der Film ist ein Juwel. Berührt die Seele, wohl seit Langem einer der schönsten Filme, die man sich ansehen muß.
Die Schauspieler sind einfach nur wunderbar. Feine leise Töne, die ganz groß rauskommen.
Und ein Plädoyer fürs Anderssein.

Wunderbarer Kommentar

Peinliche, absurde, grobe, oberflächliche Kritik. Wenn jemand nicht weiß, was Poesie ist oder wie Methafer und Symbole in der Kunst (in diesem Fall im wunderbaren Film Birnenkuchen und Lavendel) sollte sich an solchen Filmen nicht annähern. Aber französisches Kino ist nicht für grobe Geschmäcke.

Nach dem ersten Absatz sollte man bereits diese Kritik in den Papierkorb werfen. "weil ihm als Autisten Gefühle und Berührungen fremd sind" - diese Aussage ist so grob fahrlässig, wie sie nur falsch. Jemand der sich offensichtlich so wenig mit dem Thema auseinandergesetzt hat, sollte nicht ihre Meinung darüber ablassen. Hier wurde anscheinend grundlegend das Thema nicht verstanden. Stattdessen wird die unbekannte Ehrlichkeit von der Kritikerin nicht als Chance wahrgenommen, das eigene Verhalten und gesellschaftliche Regeln zu hinterfragen, sondern als erheiternd und witzig aufgenommen. Toll, wenn das alles ist, was Sie über dieses Szenario zu sagen haben.

Für Autist*innen sind Gefühle nicht fremd. (Alleine de Trailer zu gucken reicht vollkommen aus, um das Gegenteil gesagt zu bekommen). Tatsächlich empfinden sie Gefühle wesentlich intensiver als die meisten neurotypischen Menschen. Ich als Autist habe nach dem Lesen dieser Kritik auch ein besonders intensives Gefühl, nämlich Wut.

ein zauberhafter leiser feiner film.

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