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Einer wird gewinnen? Die atomare Riesenechse Godzilla aus Japan und der Riesengorilla Kong aus Amerika, die Monsterikonen aus den gegensätzlichen Erdteilen und Filmgeschichten, treffen erneut aufeinander
Schon die Produktion des ersten japanischen »Godzilla«-Films im Jahr 1954 war eine Reaktion der Produktionsfirma Toho auf den großen Erfolg der Wiederaufführung des wegweisenden amerikanischen Monsterfilmklassikers »King Kong« aus dem Jahr 1933. Beim ersten Zusammentreffen der berühmten Filmmonster in Ishiro Hondas japanischer Monsterkomödie »Die Rückkehr des King Kong« im Jahr 1962 waren die Zuschauer in Ost und West etwas enttäuscht, weil aus dem Kampf der Monsterikonen kein eindeutiger Sieger hervorging. Die verspielte Bolzerei zwischen der atomaren Riesenechse aus Japan und dem Riesengorilla aus Amerika war damals auch ein politisch aufgeladenes Kräftemessen zweier Nationen, deren Verhältnis mindestens seit den Atombombenabwürfen über Hiroshima und Nagasaki ein angespanntes war. In dem damals auch mit amerikanischem Geld finanzierten Film einen klaren Sieger auszurufen, hätte womöglich eine kulturpolitische Krise ausgelöst. Trotzdem ist der Film bis heute eine der erfolgreichsten Produktionen der langlebigen »Godzilla«-Serie. Allein in Japan gingen damals über zwölf Millionen Menschen ins Kino. Aus kommerziellen Gesichtspunkten ist es also nachvollziehbar, dass nach den Reboots »Godzilla« (2014) und »Kong: Skull Island« (2017) sowie dem Sequel »Godzilla 2: King of the Monsters« (2019) nun im vierten Film des »MonsterVerse« ein modernes amerikanisches Rematch der beiden erfolgreichsten Riesenmonster der Filmgeschichte ansteht. Und diesmal soll es einen Sieger geben. »One will fall«, verspricht schon das Ankündigungsplakat.
Godzillas guter Ruf als friedlich regulative Naturgewalt steht auf dem Spiel, als er dem Meer entsteigt und scheinbar unvermittelt die Anlagen von »Apex Cybernetics« in Florida zerstört. Der zwielichtige Apex-CEO Walter Simmons (Demián Bichir) finanziert eine Expedition ins Innere der Erde. Hier soll sich der Ursprung einer ergiebigen Energiequelle befinden. Kong-Flüsterin Ilene Andrews (Rebecca Hall) willigt ein, den Riesenaffen von Skull Island als Expeditionsführer zum Einstiegsloch der Hohlerde in die Arktis zu schaffen. Auf dem Weg greift Godzilla den von der US-Navy eskortierten Schiffskonvoi mit Kong an. Auf den Flugzeugträgern kommt es zur ersten spektakulären Konfrontation der Giganten. In der Hohlerde findet das Team tatsächlich ein Ökosystem und Spuren eines uralten Krieges zwischen den Urahnen von Kong und Godzilla. Das Apex-Team zapft die Energiequelle der Hohlerde an und leitet sie nach Hongkong weiter, um damit den gigantischen Kampfroboter Mechagodzilla anzutreiben. Inmitten der Häuserschluchten von Hongkong kommt es schließlich zur finalen Konfrontation der drei Titanen.
Der herrlich haarsträubende Plot von »Godzilla vs. Kong« wirkt auf charmante Weise naiv in seiner Anlehnung an Motive aus Jules Vernes über 150 Jahre alter Erzählung »Die Reise zum Mittelpunkt der Erde«. Der Film ist rasant erzählt. Die Entwicklung der menschlichen Figuren scheint Regisseur Adam Wingard für Zeitverschwendung zu halten; die eigentlichen Protagonisten sind die beiden Monsterikonen. Dabei hegt Wingard eindeutig mehr Sympathien für die Befindlichkeiten des sanftmütigen Underdogs Kong. Godzilla porträtiert er als aggressive Zerstörungsmaschine, die an Seelenlosigkeit nur von Mechagodzilla übertroffen wird.
Im alten japanischen Original »Die Rückkehr des King Kong« wirken die Monster aus heutiger Sicht eher putzig. Die handgemachten Tricks sind wunderschön anzusehen, aber auch leicht zu durchschauen. Die amerikanische Neuauflage ist überbordendes Überwältigungskino für einen globalisierten Weltmarkt. Wie genau die Monstren auf die Leinwand kommen, ist für den Zuschauer nicht mehr nachvollziehbar. Die Schöpfer von »King Kong« (1933) und »Godzilla« (1954) würden sicher große Augen machen, wenn sie sehen könnten, wie agil und erwachsen ihre ikonischen Filmkreaturen im digitalen Zeitalter geworden sind.