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In Thomas Ladenburgers Dokumentation geht es um einen Berufssoldaten, der sich zur Frau umoperieren ließ und diese Entscheidung mit seinem Wirken als hochrangiger Bundeswehroffizier in Einklang zu bringen versucht
Das Militär, so scheint es, ist eines der letzten Refugien urwüchsiger Männlichkeit. Auf dem Kasernenhof werden virile Unterwerfungsrituale gepflegt. Als Oberstleutnant Biefang im Jahr 2017 das Kommando über 780 Soldaten des Informationstechnikbataillons 381 im brandenburgischen Storkow übernahm, schien das beim ersten Hinhören nicht anders zu sein: »Augen nach rechts!« brüllt der Offizier mit männlicher Stimme. Sofort stehen die Herren stramm. Für einen männlich anmutenden Uniformträger hat Biefang, ein hoch gewachsener Soldat mit Gardemaß, allerdings auffällig lange Haare. Das ist nicht seine einzige Besonderheit.
»Ich bin Anastasia« erzählt von einem Mann, der mit 18 Jahren zur Bundeswehr eingezogen wurde, dort seine Berufung als Soldat fand – und dennoch tief in seinem Herzen ein unglücklicher Mensch blieb. Das änderte sich erst, als er 2015 nach dem Coming-out den Beschluss fasste, sich auch physisch jenem Geschlecht anzugleichen, dem er sich schon als Teenager zugehörig fühlte, als er heimlich in die Kleider seiner Mutter geschlüpft war. Und so wurde aus einem Mann eine Transgenderfrau, Anastasia.
Thomas Ladenburger begleitet diesen Prozess mit einer zuweilen etwas irritierenden Detailfreudigkeit. Im Wechsel zwischen Anastasias elaborierter Selbstdarstellung und Einblicken in die Privatsphäre des Berufssoldaten konzentriert sich der Dokumentarfilm auf die wichtigste Phase im Leben der Transfrau. In den entscheidenden Momenten ist die Kamera immer zugegen: »Tschüss Pimmel!« sagt die Freundin Samanta, als ihr Lebenspartner in den Operationssaal geschoben wird. Nach gelungenem chirurgischem Eingriff feiert das Trans-Paar dann eine Party. Freunde und Bekannte müssen dabei durch eine Tür treten, die zu einer stilisierten Vagina dekoriert wurde.
Solch provozierende Bilder werden konterkariert mit dem militärischen Alltag, den die Kameravirtuosin Elfi Mikesch stimmungsvoll fotografiert. Zu Wort kommen Vorgesetzte und Untergebene. Neben einer gewissen Skepsis bringen sie alle viel Verständnis auf für Anastasia. Transphobe Hatespeech gibt es nur im Internet. In einem kurzen Seitenblick auf die Bomberpilotin Christiane Meiners wird deutlich, dass Oberst Biefang nicht der einzige Transmensch in der deutschen Armee ist. Die Bundeswehr erscheint in diesem Film tatsächlich als überraschend flexible Organisation.
Der Film überzeugt durch seine geradlinige Geschichte, die schließlich auf Biefangs Einsatz in Afghanistan hinausläuft. Zur Vorbereitung auf diese Mission muss die Transfrau in einem Manöver die Leibesvisitation einer voll verschleierten Afghanin proben. Eine Szene wie aus der Amazon-Serie »Transparent«. Der Widerspruch zwischen einem Mann, der freiwillig zur Frau wurde, und einer Frau, die aus religiösen Gründen zum Tragen einer Burka gezwungen wird, könnte nicht größer sein. Dieses jähe Aufeinanderprallen von Welten macht »Ich bin Anastasia« zu einem Erlebnis.