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Nach dem exzentrischen Horrorfilm »It Follows« nimmt sich David Robert Mitchell das Genre des Neo-Noir vor – mit surrealen Ergebnissen
Der Regisseur David Robert Mitchell hat bisher drei Filme gedreht, allesamt Variationen klassischer amerikanischer Genres: Auf das leise Highschool-Drama »The Myth of the American Sleepover« (2010) folgte »It Follows« (2014), ein Horrorfilm in reduzierter Indie-Ästhetik. Beide Filme spielten in Mitchells Heimatstadt Detroit. Mit »Under the Silver Lake« wechselt er nun nach L.A. und nimmt sich den Neo-Noir vor, auch das auf sehr eigene Weise.
Im Mittelpunkt steht der junge Sam (Andrew Garfield), ein abgebrannter Slackertyp, der im gentrifizierten Hipsterviertel Silver Lake lebt. Seine Tage verbringt er mit Rauchen, Videospielen und dem Beobachten seiner Nachbarinnen am Pool. Mit einer von ihnen, der verführerischen und geheimnisvollen Sarah (eine Entdeckung: Riley Keough), verbringt er eine bekiffte Nacht vor dem Fernseher. Am nächsten Tag ist sie spurlos verschwunden. Sam begibt sich auf eine obsessive Suche nach ihr, überzeugt, dass sie Opfer einer weitreichenden Verschwörung wurde.
Diese knappe Synopsis klingt nach einem geradlinigen Neo-Noir. Tatsächlich könnte nichts dem Verlauf der Geschehnisse ferner liegen. Mitchell entwirft eine labyrinthische Dramaturgie der Verwirrung und der falschen Fährten. Fortwährend stößt Sam auf neue Hinweise und immer verrücktere Verschwörungstheorien. Wie ein bekiffter Sam Spade stolpert er durch die diversen Subkulturen von L.A., und als Zuschauer fragt man sich, ob die ganze Sache sich am Ende als Drogentraum erweist. Wirklich Sinn ergibt die Geschichte nämlich nicht, aber genau das ist Mitchells Punkt: Der (Um)Weg ist das Ziel, insbesondere bei den vertrackten Noir-Klassikern, und im Kino glauben wir sowieso erst mal alles. Also türmt er Plot auf Plot, lässt aber genüsslich jede Wendung in eine Sackgasse münden.
Überladen und eitel wirkt diese mäandernde Sinnfreiheit streckenweise, und doch kann man sich dem Charme und dem Einfallsreichtum von Mitchells Inszenierung nicht entziehen. Sein Film ist eine überbordende Genrereflexion, ein Sammelsurium aus klassischen Motiven, filmhistorischen Zitaten und popkulturellen Anspielungen, teils smarte Parodie, teils surrealer Paranoia-Thriller. Er verbindet die Ästhetik klassischer Studiofilme, samt Rückprojektionen und Matte Paintings, mit Verweisen auf Hitchcock, Polanski und Lynch, auf Raymond Chandler und George Cukor. Einen deutlichen Bezugspunkt bildet Brian De Palmas in L.A. spielende »Vertigo«-Paraphrase »Body Double«, von der Mitchell das Laszive und das Fetischhafte übernimmt. Auf einer weiteren Ebene verknüpft er das Delirierende von »Inherent Vice« mit dem morbiden Glamour von »Hollywood Babylon«. Trotzdem wirkt »Under the Silver Lake« nie wie ein postmodernistisches Pastiche, sondern wie Mitchells ganz eigene Vision von L.A., sein popkulturell aufgeladener Neulingsblick auf das Labyrinthische, Mystische und Esoterische dieser Stadt. Und letztlich ist der Film wie Los Angeles selbst: enervierend und ermüdend, aber auch sinnlich und faszinierend.