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Filmemacher Jonas Rothlaender versucht den tiefen Zerwürfnissen in seiner Familie nachzugehen, die ihn in der dritten Generation betreffen
Das Geld spielt eine große Rolle in der Familie, die der Regisseur Jonas Rothlaender in seinem dokumentarischen Langfilmdebüt porträtiert. Es beginnt mit der Großmutter, die ihre letzten Jahre mittellos verbringen musste, weil ihr Exmann ihr gesamtes Vermögen durchgebracht hat. Was diesen aber nicht davon abhält, noch im Altenheim ständig das letzte Millionengeschäft abschließen zu wollen. Seine Tochter wiederum wird später, aus Sorge um die Kosten einer teuren Grabpflege in der Schweiz, seine Urne nicht ordentlich beerdigen, sondern im Pappkarton verpackt unter ein kaum genutztes Waschbecken ihrer Arbeitsküche stellen. Und dieser Anblick von erinnerungsbitterer Kleinlichkeit wird dann den Enkel dazu veranlassen, eine lang aufgeschobene Aussprache mit seiner Mutter zu suchen. Sage niemand, dass Ähnliches sich nicht auch in der eigenen Familie abspielen könnte.
Natürlich hat nicht jeder eine solch schillernde Gestalt als Großvater: ein greiser Bankrotteur mit piratenhafter schwarzer Augenbinde, der sich an seine einzige Tochter kaum zu erinnern scheint, aber die Deals, die ihm entgangen sind, weil sie ihm einst kein Geld leihen wollte, peinlich genau aufrechnen kann. Und nicht jeder hat so eine Mutter: eine erfolgreiche Ärztin, die in zwei Ehen acht Kinder großgezogen hat.
Es ist die eigene Familie, die Jonas Rothlaender hier porträtiert, er selbst ist der Enkel, der seinen Großvater und seine Mutter vor die Kamera stellt und mit Fragen behelligt – wobei er mit typischer Enkel-Ungerechtigkeit dem Großvater gegenüber distanzierte Nachsicht an den Tag legt, während er die Mutter mit trotziger Verständnislosigkeit unterschwellig anklagt, ohne ihr je Respekt für ihre Lebensleistung zu zollen. So kommt viel Privates in »Familie Haben« zu Tage – und dementsprechend interessant ist es, dass Rothlaender daraus einen Film montiert, dessen schonungslose Ehrlichkeit stellenweise zwar fast erschrocken macht, dabei aber auf sehr produktive Weise zum Nachdenken anregt über den verflixten Zusammenhang von offenen Rechnungen und familiärem Erbe.