Kritik zu Der Russe ist einer, der Birken liebt

© Port au Prince

2022
Original-Titel: 
Der Russe ist einer, der Birken liebt
Filmstart in Deutschland: 
03.11.2022
L: 
105 Min
FSK: 
12

Elliptisch und verschachtelt: Pola Becks Geschichte einer unsteten Frau

Bewertung: 3
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Frei sein heißt zum Freisein verurteilt zu sein, schrieb der französische Philosoph Jean-Paul Sartre in seinen existenzialistischen Betrachtungen. Zur Freiheit verdammt ist auch Mascha (Aylin Tezel), die zwischen Köln und Tel Aviv, zwischen den Traumata der Vergangenheit und einer ungewissen Zukunft einen Platz in der Welt und letztlich sich selbst sucht. Eine ganze Weile läuft sie nur vor sich und dem Leben davon. 

Dabei ist sie nicht auf den Mund gefallen, weder als angehende Dolmetscherin, die fünf Sprachen beherrscht, noch im Alltag angesichts des Rassismus, dem sie und ihr diverser Freundeskreis ausgesetzt sind. Als kleines Mädchen war sie Mitte der Neunziger mit ihrer Mutter von Aserbaidschan nach Deutschland gekommen, wie so viele jüdische Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion. Mittlerweile ist sie erwachsen, zumindest dem Alter nach, eine selbstbewusste junge Frau, die schlagfertig, kompromisslos und klug ist, aber eben auch ziemlich verloren.

So sprunghaft wie seine Protagonistin beginnt »Der Russe ist einer, der Birken liebt«, die Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Olga Grjasnowa aus dem Jahr 2012. Da taucht in schnellen Schnitten ein Mann in Maschas Bett auf, im nächsten Bild ist es ein anderer, noch ein Schnitt und neben ihr liegt eine junge Frau. So setzt es sich fort über die nächsten 110 Minuten. Statt linear fortzuschreiten oder in klassischen Rückblenden vorzugehen, springt die Handlung verschachtelt und oft momenthaft zwischen den Zeitebenen: von der Beziehung mit ihrem Freund Elias (Slavko Popadic) und dessen schwerem Unfall zum Seitensprung mit ihrem Ex Sami (Bardo Böhlefeld) und der Reise nach Israel, nach Elias plötzlichem Tod, wo sie sich in die junge Soldatin Tal (Yuval Scharf) verknallt. Beim Zuschauen dauert es zumindest ohne Kenntnis der Buchvorlage eine ganze Weile, bis man sich zurechtfindet in diesen elliptisch versammelten Schnipseln, mit denen der Film versucht, die Orientierungslosigkeit und den Trauerprozess seiner Protagonistin in einen filmischen Ausdruck zu übertragen. 

So eindrücklich dieser Kniff von Regisseurin Pola Beck und ihrem Drehbuchautor Burkhardt Wunderlich (der bereits ihr Langfilmdebüt »Am Himmel der Tag schrieb«) ist, nicht brav ordentlich von A bis Z abzuhaken, wird er doch zur Masche. Einige Szenen wirken unglaubwürdig und lediglich konstruiert, um eine Funktion zu erfüllen, anderes wird zu sehr über Dialoge erzählt, statt es zu zeigen. Am ärgerlichsten ist allerdings die Nebenfigur des besten schwulen Freundes Cem, der immer dann auftaucht, wenn Mascha Hilfe und Trost braucht. Sohel Altan Gol spielt die undankbare Rolle mit großer Empathie und bewahrt sie davor, reiner Funktionsträger zu sein. Den Film rettet am Ende Hauptdarstellerin Aylin Tezel, die sich mit intensiver Wucht und emotionaler Glaubwürdigkeit in die ambivalente Figur wirft und sich einmal mehr als eine der spannendsten Schauspielerinnen ihrer Generation erweist.

Meinung zum Thema

Kommentare

..... vielleicht sollte ich mir die positiven Erinnerunen an das Buch nicht durch diese Verfilmung trüben lassen.

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