Kritik zu Raus

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Zurück zur Natur – jetzt aber bitte mit GPS! Philipp Hirsch erzählt in seinem Spielfilmdebüt von einer Gruppe von Aussteigern, die einen neuen Lebenssinn suchen und in überraschender Weise fündig werden

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»Die Gesellschaft ist »am Arsch, weil die Falschen am Drücker sind!« Um etwas zu bewegen, zündelt der Aktivist Glocke (Matti Schmidt-Schaller) am protzigen SUV eines Zuhälters. Er will eigentlich ein Mädchen beeindrucken. Als die gesamte Aktion nach hinten losgeht und das Mädchen sich für einen anderen entscheidet, ist trotzdem die Gesellschaft schuld. Die Web-Nachricht des ominösen Friedrich, der irgendwo in den Bergen lebt und die Rückkehr zur Natur predigt, kommt in dieser ausweglos erscheinenden Situation gerade recht. Nichts wie Raus, so der programmatische Titel von Philipp Hirschs Spielfilmdebüt.

Gemeinsam mit vier Gleichgesinnten, die auch den Reset-Knopf suchen, macht Glocke sich auf den Weg. Der Trip ist beschwerlicher als erwartet. Beim Wandern durch einen gepflegten deutschen Mischwald werden die erschöpften Survival-Kids von rüstigen Rentnern – »Grüß Gott!« – überholt. Der Film macht sich erst einmal lustig über die kopflosen Aussteiger, die wie Generationen von Romantikern vor ihnen zurück zur Natur wollen – aber heute bitte mit GPS. Und zu allem Überfluss erleben die verwöhnten Kids, nachdem die letzten Schokoriegel aufgebraucht sind, auch noch die Erfahrung des Mangels. Hunger? So etwas begreift man nur dann, wenn man es erlebt.

In der selbst gewählten Zwangslage rückt das Quintett allmählich zusammen. Man arbeitet sich aneinander ab. Denn das Leben abseits der Komfortzone hat einiges zu bieten. Das Baden im idyllischen Waldsee ist so erfrischend. Und wenn Glocke mit der hübschen Judith (Milena Tscharntke) den Honig aus einem hohlen Baumstamm nascht, dann scheint die Natur es gut zu meinen mit den jungen Sinnsuchern. Mit einer durchdachten Bildsprache, die mal mit videoclipartigen Stakkatos, mal mit klitschigen Tableaus wie aus einer Honigreklame arbeitet, zeichnet Philipp Hirsch die Pfade dieser urbanen Paradiesvögel auf Abwegen nach.

»Raus« erscheint zunächst wie die coole Version zur Infotainment-Dokureihe »Der mit dem Wald spricht« vom Südwestrundfunk. Hier wandert der Baumflüsterer und Bestsellerautor Peter Wohlleben mit Prominenten wie Sarah Wiener und Guildo Horn durchs Unterholz und erklärt dabei das Seelenleben der Pflanzen. Einen Ökoprediger wie Peter Wohlleben gibt es in »Raus« eigentlich nicht. Vielmehr stellt sich immer dringlicher die Frage: Wer ist eigentlich dieser ominöse Friedrich, der sie irgendwo in einer abgelegenen Hütte in den Pyrenäen erwartet?

Bei der Lösung dieses Problems stoßen die fünf Aussteiger in der Spur Friedrich Nietzsches auf »Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne«. Denn die Lüge – und das ist der interessante Dreh dieses Films – erweist sich nicht als Betrug, sondern als gemeinschaftsstiftendes Strukturmoment. Es bedarf einer Autorität – doch ihr logischer Platz wird von niemandem usurpiert. Dank dieser originellen Wendung (Ko-Drehbuch: Tomas Böltgen) wird »Raus« zum sehenswerten Film, dessen ambitionierter Gesellschaftsentwurf sich von trendiger Naturverkitschung unterscheidet.

Meinung zum Thema

Kommentare

Die Bilder des Filmes wirken auf den Schauer, trotz Kritik amateurhaft zu sein. Der Film wird hauptsächlich durch die Bilder präsentiert. Die Idee kommt gut an, jedoch sind Unterhaltungen an manchen Stellen oberflächlich und entwickeln sich zum Schwachsinn - die Handlungen der Protagonisten (zum Ende des Filmes) sind alogisch und könnten nur von sehr verwirrten Individuen betrieben werden - (SPOILER) die ganze Zeit verfolgen sie die Idee "Raus aus der Gesellschaft - rein in die Natur" und wenn sie fast am Ziel sind, nach sie die Idee schon selber umgesetzt haben, stellt sich heraus, dass die Idee nicht von "X" kommt, sondern von "Y", was dazu führt, dass sie sich sehr verraten und behindert die Idee weiter zu folgen fühlen. Kein etwa vernünftiges Mensch verhaltet sich so und ich finde keine Erklärung dieser Lügengeschichten, außer den Jugendlichen beizubringen, dass "Raus aus der Gesellschaft" böse und unvernünftig ist.

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